Die Vergessenen

Genug. Er steckte die Lunchbox weg, nahm den Rucksack erneut auf die Schultern und stand nach langer widerstrebender Pause wieder auf.
    Als er fünfzehn Kilometer weit von seinem Erd-Uboot entfernt war, wäre Chanter wirklich am liebsten umgekehrt, und es erschreckte ihn, dass ihn jeder Schritt weiter von dem Fahrzeug wegführte und auf dem Rückweg erneut getan werden musste. Allerdings trieben ihn Entschlossenheit und Selbstabscheu weiter – und das Wissen, dass die Lunchbox nach wie vor gut gefüllt war und in seinem Rucksack auch ein nettes Monofaserzelt mit eingebautem Bett steckte. Als er den langen tropfenförmigen Eingang erreichte, der seitlichen Zugang zu einer großen schlauchartigen Höhle in etwas bot, was wie eine Meereswelle aus Gestein wirkte, ging die Sonne bereits unter und leuchtete Kalypse hell am Himmel. Dort blieb er stehen, prüfte mit demInfrarotblick durch die Schwimmhaut zwischen den Fingern, dass auch nichts Grässliches in der Höhle lauerte, und ging hinein. Kurz stieg Panik auf, als er die Umrisse eines Kapuzlers erkannte, aber er stellte schnell fest, dass die einzelnen Segmente voneinander getrennt herumlagen, vielleicht durch einen Erdstoß geschüttelt wie Bohnen auf einem Teller. Die Panzerschalen der Beine lagen auf dem staubigen Boden überall in der Gegend verstreut. Chanter konnte erkennen, dass die Kreatur schon lange tot war.
    »War es das, was ich mir ansehen sollte, Drache?«, fragte er sich laut und schauderte dann über das Echo seiner Stimme, das von irgendwo links herüberklang.
    Chanter nahm den Rucksack von den Schultern, ehe er sich auf den staubigen Boden hockte und das Ding öffnete. Das Zelt war ein kurzer Zylinder, den er mit einer Hand packte. Er drückte den Aktivierungsschalter und warf ihn einige Meter weit weg. Der Zylinder klappte der Länge nach auf, und das Zelt baute sich daraus hervor auf, als eine kleine Pumpe Luft in die offene Schaumstruktur der Zeltwand blies. Nach weniger als einer Minute streckte das kuppelförmige, zwei Meter durchmessende Zelt Stacheln entlang der Unterkante aus und verankerte sich mit ihrer Hilfe am Boden, ehe im Zeltinneren die Beleuchtung ansprang. Chanter speiste erneut Würmer, ehe er in diese Behausung kroch und auf dem aufgepumpten Bett zusammensackte, wo ihn der Schlaf wie ein Hammer erwischte.
    Die Überreste des Kapuzlers offenbarten keine weitere Erkenntnis, als dass es eine junge Kreatur gewesen war, ein überraschendes Ergebnis – die einzigen Kapuzler, die an Land jung starben, waren Opfer von bewaffneten Menschen, und doch konnte Chanter keinen Hinweis auf den Gebrauch von Waffen finden. Erst nachdem er eine Zeit lang über den Kapuzler gerätselt, Bilder gemacht und Proben genommen hatte, machte ersich daran, die restliche Höhle zu durchsuchen. Zwei Stunden später fand er etwas sehr Merkwürdiges an einer Stelle, wo die Decke im schiefen Winkel in den Boden mündete und die Höhle so schmal geworden war, dass Chanter auf Händen und Knien kriechen musste. Ein rechteckiges Stück Fels war aus dem Boden geschnitten worden, dem Anschein nach mühsam mit einer Diamantsäge herausgetrennt, aber ein Hinweis auf den Grund dafür war nicht zu entdecken. Eine Stunde später fand er die schmale Spalte, versteckt hinter einem an der Wand liegenden Segment des Kapuzlers, quetschte sich durch die enge Stelle und leuchtete mit der Taschenlampe hinein.
    Ein geheimes Lager der Rebellen. An einer Höhlenwand standen staubige Plasmelkisten herum, von denen eine offen stand, der Deckel an die Wand dahinter gelehnt. Chanter stampfte hinüber und richtete den Strahl der Taschenlampe hinein, erblickte ein einzelnes, stark verrostetes Gewehr auf der Basis chemischer Treibsätze und entnahm diesem Anblick, dass es ein wirklich altes Lager sein musste – wahrscheinlich angelegt, als die Rebellion gerade erst in Gang gekommen war, und ehe die Rebellen einen Weg in den tiefen Untergrund gefunden hatten. Er leuchtete mit der Taschenlampe herum und war auf einmal unglaublich aufgeregt, als das Licht auf den Gegenstand am hinteren Ende des Lagers fiel.
    Sie hatten es eingepackt – in etwas, das nach dem Teil eines robusten, transparenten Plastikzylinders aussah, wie er auf alten Raumschiffen den tiefgefrorenen Besatzungsmitgliedern oder Passagieren Platz geboten hatte. Am oberen Ende war der Zylinder mit einer Stahlplatte verschlossen, und das untere Ende war mit der Steinplatte verbolzt, auf der das Ding stand. Erst bei Betrachtung der