Die verlorene Bibliothek: Thriller
inzwischen wusste – auch noch mindestens vier weiteren Männern.
Stattdessen verkündete sie mit Nachdruck: »Ich muss nach Hause kommen.« Sie hatte keinen konkreten Plan, doch das schien ihr schlicht das Offensichtliche zu sein, was sie als Nächstes unternehmen sollte. Sie konnte unmöglich mit ihrer Suche fortfahren, wenn ihr und Michaels Leben auf dem Spiel standen. Sie liebte ja vielleicht das Abenteuer, aber so selbstsüchtig war sie nicht. »Ich bin noch immer am Flughafen. Ich bin sicher, ich bekomme noch heute Abend einen Flug zurück.«
Wieder herrschte kurz Schweigen am anderen Ende der Leitung; doch als Michael antwortete, sagte er nicht das, was Emily erwartet hatte.
»Nein, das darfst du auf keinen Fall.«
»Mike, wenn es um so viel geht, werde ich nicht hier ohne dich Detektiv spielen. Das sollte eigentlich nur ein Kurztrip werden, um eine Bibliothek für einen Kollegen zu finden.«
Michaels entschlossener Tonfall legte jedoch nahe, dass er das Ganze inzwischen als Herausforderung betrachtete, und er würde nicht zulassen, dass Emily nur seinetwegen einfach so aufgab.
»Em, denk doch mal nach. Sie hatten ihr kleines Verhör. Das war zwar unangenehm, ist aber erledigt. Und jetzt sind sie weg, und sie haben keinen Grund, noch einmal zu mir zurückzukommen. Aber du … du …« Er suchte nach den richtigen Worten. »Du glaubst doch wohl nicht, dass das alles nur ein kleines Detektivspiel ist. Selbst ich sehe die historische Dimension dahinter, und das nicht nur auf die Vergangenheit bezogen, sondern auch auf die Ereignisse hier in D. C.« Emily hörte deutlich, wie ernst er das meinte.
»Ich denke trotzdem noch, dass ich wieder nach Hause fliegen sollte«, sagte sie. »Dort kann ich auch untersuchen, was ich hier gelernt habe. Ich kann ein wenig nachforschen, alles ordnen, bei dir sein.«
»Niemals«, erwiderte Michael. »Du wirst mich nicht als Entschuldigung missbrauchen. Wenn du willst, flieg her, aber meine Tür wird verschlossen sein.«
Nun lächelte Emily und lachte sogar ein wenig. Sie würde den richtigen Mann heiraten: abenteuerlustig, stark, streitlustig, wunderbar. Doch noch während ihr Lachen verhallte, überkam Michael das Gefühl, dass ihr Vorschlag, wieder zurückzukommen, nicht nur mit ihm zu tun hatte. Selbst eine starke Frau konnte Angst empfinden.
»Ich könnte zu dir fliegen«, schlug er spontan vor, »und dir bei dem beistehen, was auch immer vor dir liegt.«
Ihre Gefühle drängten Emily, ›Ja!‹ zu rufen, doch sie hielt sich zurück. Sie wollte nicht, dass sie sich beide in Gefahr begaben.
»Nein, du wirst daheim die Stellung halten«, antwortete sie. »Aber ich werde dem Ganzen nur noch einen Tag geben, mehr nicht. Und nur, wenn diese Leute dich in Ruhe lassen. Wenn du auch nur einen Anruf bekommst, mit dem du nicht gerechnet hast, bin ich weg von hier. Ich will einen Mann, zu dem ich wieder zurückkommen kann.«
»Klingt fair«, sagte Michael. Auch er wusste, wann es besser war nachzugeben.
Was Emily als Nächstes sagen wollte, kam ihr trivial vor, doch es musste ausgesprochen werden.
»Pass auf dich auf, Michael. Ich liebe dich.«
»Ich soll auf mich aufpassen? Ich plane, die nächsten drei Tage vierundzwanzig Stunden in meinem Büro zu verbringen, um endlich mein Projekt zu beenden«, erwiderte er. »Versuch, dir keine Sorgen zu machen. Beherzige lieber deinen eigenen Rat. Wenn diese Männer schon hierhergekommen sind, Emily, dann heißt das, sie sind bereit, überall hinzugehen.« Er atmete tief durch. »Schau ab und an mal über deine Schulter.«
KAPITEL DREIUNDSIEBZIG
17:25 U HR
Infolge des Gesprächs mit Michael war Emily zunehmend nervös.
Was sie von ihm erfahren hatte, hätte jeden paranoid gemacht. Der stark frequentierte Flughafen fühlte sich nun bei weitem nicht mehr so sicher an wie noch zuvor, und immer wieder starrte Emily Passanten misstrauisch an.
Keine Panik , ermahnte sie sich selbst. Das ist irrational. Doch das war leichter gesagt als getan. Ihre Nerven wollten sich einfach nicht beruhigen lassen.
Emily bog um eine Ecke und stand vor einer langen Reihe von Glastüren, die aus dem Flughafen hinaus und zu den Kurzparkerplätzen davor führten. Männer mit kleinen Schildern in der Hand standen dort vor blankpolierten schwarzen Limousinen und blickten unbeteiligt drein.
Alle bis auf einen. Ganz rechts in der Reihe lehnte ein kleiner Mann an einem winzigen grauen Audi und hielt ein Schild mit der Aufschrift ›Dr. Antoun‹ in der
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