Die verlorene Bibliothek: Thriller
wissen, welchen Flug du genommen hast. Ja, sie wollten sogar wissen, wie du den Flug gebucht hast – online, persönlich oder über einen Freund. Alles Dinge, die unmöglich dabei helfen können, die Einbrecher zu finden.«
»Mike, es tut mir leid. Es tut mir ja so leid.«
»Und dann war da noch eine ganze Reihe von Fragen zu den politischen Dimensionen deiner Arbeit.«
»Den politischen Dimensionen?«
»Sie wollten wissen, ob du Geschäftspartner in Washington hast, wie viel du über Regierungsmitglieder weißt, und ob du Fördergelder von politischen Parteien oder Lobbyisten erhältst. Diese Fragen waren absurd, aber sie haben sie sehr, sehr aggressiv vorgetragen.«
»Mein Gott, das ist unglaublich.« Emily empfand einen wachsenden Hass auf diese Männer, die den Kampf um die Bibliothek auf eine persönliche Ebene hoben. Athanasius hatte sie in Alexandria gewarnt, dass der Rat wisse, wer sie sei, und dass er gegen sie vorgehen würde. Offensichtlich hatte er recht gehabt.
»Diese Männer«, fuhr Michael fort, »sie hatten irgendwas an sich. Sie waren irgendwie … extrem. Sie trugen die gleichen grauen Anzüge, hatten den gleichen Haarschnitt und verhielten sich vollkommen gleich. Es war, als wären sie geklont. Und ich will verdammt sein, wenn auch nur einer von ihnen wirklich für die Polizei arbeitet. An denen war nichts, aber auch wirklich gar nichts echt.«
Als sie den Trotz in Michaels Stimme hörte, seufzte Emily erleichtert auf. Michael Torrance würde sich von niemandem zum Opfer machen lassen. Obwohl Emilys selbstsichere Art und Sturheit dazu führten, dass man häufig sie für die Dominante in ihrer Beziehung hielt, waren sie sich in Wahrheit sehr ähnlich. Michael besaß eine Kraft und eine Zähigkeit, von der sie sich gerne inspirieren ließ.
»Aber«, fügte Michael hinzu, »ich möchte diesen Typen nicht noch mal begegnen. Sie schienen die Antworten auf ihre Fragen schon zu kennen, bevor sie sie gestellt haben. Ich hatte das Gefühl, auf die Probe gestellt und nicht befragt zu werden.« Diesmal legte er eine deutlich längere Pause ein. »Ich will nicht wissen, was sie getan hätten, wenn ich ihnen nicht die Antworten gegeben hätte, die sie erwartet haben.«
Emily kämpfte mit ihren Gefühlen: Wut, Hass, Angst, Verwirrung. Sie musste Michaels Beispiel folgen und ruhig darüber nachdenken, was das alles zu bedeuten hatte. Dahinter musste der Rat stecken, wie Athanasius die Gruppe genannt hatte, die gegen die Bibliothek arbeitete. Der Rat war für die beiden Einbrüche und Michaels ›Verhör‹ verantwortlich. Offensichtlich suchten sie nach ihr.
Und um sie zu finden, machten sie vor nichts halt, noch nicht einmal vor ihrem Verlobten. Wieder stieg der Hass in ihr auf und überwand die Angst. Emily war nicht länger sicher, aber sie war auch kein Außenstehender mehr. Bis zu diesem Augenblick war die Suche, auf die Arno Holmstrand sie geschickt hatte, genau die Art von Abenteuer gewesen, auf das sie immer gehofft hatte: Sie, die kleine Professorin aus der amerikanischen Provinz, hatte nun eine Hauptrolle in einem Drama, das sich von den Pharaonen bis in die Moderne erstreckte. Bis dahin war alles perfekt. Doch nach dem Angriff auf Michael – und sie betrachtete es als Angriff, auch wenn sie ihn nur verhört hatten – hatte sich alles geändert. Was bis jetzt so schön unpersönlich gewesen war, betraf sie nun direkt, und das war inakzeptabel.
»Michael«, unterbrach Emily ihren Verlobten, »diese Männer sind gefährlich. Ich hatte keine Ahnung, dass sie zu dir kommen würden.«
»Du kennst diese Leute?« Michael war nicht sicher, ob ihn das trösten sollte, oder ob er sich nun noch mehr Sorgen um Emily machen musste.
»Ich habe da so eine Ahnung«, antwortete sie. »Der Mann, mit dem ich gesprochen habe, hat mir doch von dieser anderen Gruppe erzählt, diesem Rat, der Gott weiß wie viele Agenten hat. Er hat sie deren ›Freunde‹ genannt.«
»Aber warum haben sie nach Washington gefragt?«, hakte Michael nach. »Was hat die Bibliothek mit dem zu tun, was dort gerade passiert? Steht sie irgendwie mit den Skandalen in Verbindung?«
Fast hätte Emily ihrem Verlobten das Geheimnis des Jahrhunderts verraten, doch sie biss sich auf die Lippen. Sie hatte das Gefühl, Michael in noch größere Gefahr zu bringen als ohnehin schon, wenn sie ihm von der Verschwörung des Rates mit dem Vizepräsidenten erzählte. Diese Information hatte Arno Holmstrand das Leben gekostet und – wie sie
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