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Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Titel: Die Verlorene Ehre der Katerina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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nach Zäpfchen verlangen und sie auch bekommen? Kürzer gesagt: es ist alles zu durchlässig und doch im entscheidenden Augenblick für einen Berichterstatter nicht durchlässig genug, weil zwar das eine oder andere (etwa von Hach und einigen Polizeibeamten und -beamtinnen) zu erfahren ist, aber nichts, rein gar nichts von dem, was sie sagen, auch nur andeutungsweise beweiskräftig wäre, weil es vor keinem Gericht bestätigt oder auch nur ausgesagt würde. Es hat keine Zeugniskraft¶ Nicht den geringsten Öffentlichkeitswert. Zum Beispiel diese ganze Zäpfchenaffäre. Das Anzapfen von Telefonleitungen dient natürlich der Ermittlung, das Ergebnis darf aber – da es von einer anderen als der ermittelnden Behörde vorgenommen wird – in einem öffentlichen Verfahren nicht nur nicht verwendet, nicht einmal erwähnt werden. Vor allem: was passiert in der sogenannten Psyche der Telefonzapfer? Was denkt sich ein unbescholtener Beamter, der nichts als seine Pflicht tut, der sozusagen, wenn nicht unter Befehls-, dann aber sicher unter Broterwerbsnotstand seine (ihm möglicherweise widerwärtige) Pflicht tut, was denkt er sich, wenn er mit anhören c, wie jener unbekannte Hausbewohner, den wir hier kurz den Zärtlichkeitsanbieter nennen wollen, mit einer so ausgesprochen netten, adretten, fast unbescholtenen Person wie Katharina Blum telefoniert? Gerät er in sittliche oder geschlechtliche oder in beide Arten von Erregung? Empört er sich, hat er Mitleid, bereitet es ihm gar ein merkwürdiges Vergnügen, wenn da eine Person, die den Spitznamen “Nonne” trägt, durch heiser hingestöhnte, drohend vorgebrachte Angebote in den Tiefen ihrer Seele verletzt wird? Nun, es geschieht so vieles im Vordergrund – mehr noch im Hintergrund. Was denkt sich ein harmloser, lediglich sein Brot sauer verdienender Anzapfer zum Beispiel, wenn da ein gewisser Lüding, der hier gelegentlich erwähnt wurde, die Chefredaktion der ZEITUNG anruft und etwa sagt: “Sofort S. ganz raus, aber B. ganz rein.” Natürlich wird Löding nicht angezapft, weil er beobachtet werden muss, sondern weil die Gefahr besteht, dass er – etwa von Erpressern, Polit-Gangstern etc. – angerufen wird. Wie soll so ein unbescholtener Mithörer wissen, dass mit S. Sträubleder gemeint ist, mit B. Blorna und dass man in der SONNTAGSZEITUNG nicht mehr über S., aber viel über B. wird lesen können. Und doch – wer soll das schon wissen oder nur ahnen – ist Blorna ein von Lüding äußerst geschätzter Anwalt, der fast unzählige Male sein Geschick bewiesen hat, national und international. Nichts anderes ist gemeint, wenn hier an anderer Stelle von Quellen gesprochen worden ist, die “zueinander nicht kommen können”, wie die Königskinder, denen die falsche Nonne die Kerze ausblies – und irgendeiner versank da ziemlich tief, ertrank.
    Und da lässt Frau Lüding durch ihre Köchin bei der Sekretärin ihres Mannes anrufen, um herauszubekommen, was Lüding wohl am Sonntag gern zum Nachtisch essen würde: Palatschinken mit Mohn? Erdbeeren mit Eis und Sahne oder nur mit Eis oder nur mit Sahne? Woraufhin die Sekretärin, die ihren Chef nicht belästigen möchte, seinen Geschmack aber kennt, die aber möglicherweise auch nur Ärger bzw. Umstände verursachen will, der Köchin mit ziemlich spitzer Stimme erklärt, sie sei ganz sicher, dass Herr Lüding an diesem Sonntag Karamelpudding mit Krokantsauce vorziehen würde; die Köchin, die natürlich auch Lüdings Geschmack kennt, widerspricht und sagt, das sei ihr neu, ob die Sekretärin sicher sei, dass sie nicht ihren eigenen Geschmack mit dem des Herrn Lüding verwechsle, und ob sie nicht doch durchstehen könne, damit sie direkt mit Herrn Lüding über seine Nachtischwünsche sprechen könne. Woraufhin die Sekretärin, die gelegentlich mit Herrn Lüding als Konferenzsekretärin unterwegs ist und in irgendwelchen PALACE-Hotels oder Inter-Herbergen mit ihm isst, behauptet, wenn sie mit ihm unterwegs sei, esse er immer Karamelpudding mit Krokantsauce; die Köchin: aber am Sonntag sei er eben nicht mit ihr, der Sekretärin, unterwegs, und ob es nicht möglich sei, dass Lüdings Nachtischwünsche eben abhängig seien von der Gesellschaft, in der er sich befinde. Etc. etc. Schließlich wird noch lange über Palatschinken mit Mohn gestritten – und dieses ganze Gespräch wird auf Kosten des Steuerzahlers auf Tonband aufgenommen! Denkt der Tonbandabspieler, der natürlich genau darauf achten muss, ob hier nicht ein

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