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Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Titel: Die Verlorene Ehre der Katerina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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meiner Bewegungen beobachten – ich fahre, sozusagen kaum dem Schlafwagen entstiegen, zu deiner Villa hinaus, um zu sehen, ob die Schneeglöckchen schon raus sind? Hältst du das wirklich für eine gute Idee – ganz abgesehen davon, dass dieser liebenswürdige Ludwig schon bewiesen hat, dass er ganz gut schießen kann?”
    “Verdammt, ich weiß. nicht, ob deine Ironie oder deine Witze hier noch angebracht sind. Ich bitte dich als meinen Anwalt und Freund um einen Dienst, der nicht einmal persönlicher, sondern mehr noch staatsbürgerlicher Natur ist – und du kommst mir mit Schneeglöckchen. Diese Sache ist seit gestern so geheim, dass wir seit heute früh keinerlei Informationen mehr von dort bekommen haben. Alles, was wir wissen, wissen wir von der ZEITUNG, zu der Lüding zum Glück gute Beziehungen hat. Staatsanwaltschaft und Polizei telefonieren nicht einmal mehr mit dem Innenministerium, zu dem Lüding ebenfalls gute Beziehungen hat. Es geht um Leben und Tod, Hubert.”
    In diesem Augenblick kam Trude herein, mit dem Transistor in der Hand und sagte ruhig: “Um Tod geht”s nicht mehr, nur noch um Leben, Gott sei Dank. Sie haben den Jungen geschnappt, dummerweise hat er geschossen und ist beschossen worden, verletzt, aber nicht lebensgefährlich. In deinem Garten, Alois, in Kohlforstenheim, zwischen Swimming-pool und Pergola. Man spricht von der Nullkommafünf-Millionen-Luxusvilla eines Lüding-Kompagnons. Übrigens gibt es wirklich noch Gentlemen: das erste, was unser guter Ludwig gesagt hat: Katharina habe nichts mit der Sache zu tun; es sei eine rein private Liebesaffäre, die nicht das geringste mit den Straftaten zu tun habe, die man ihm vorwerfe, die er aber nach wie vor abstreite. Wahrscheinlich musst du ein .paar Scheiben ersetzen lassen, Alois – es ist da ganz schön rumgeballert worden. Dein Name wurde noch nicht genannt, aber vielleicht solltest du doch Maud anrufen, die sicher erregt und trostbedürftig ist. Übrigens hat man gleichzeitig mit Götten andernorts drei seiner angeblichen Komplizen geschnappt. Das ganze gilt als triumphaler Erfolg eines gewissen Kommissars Beizmenne. Und nun mach dich auf die Socken, lieber Alois, und statte zur Abwechslung mal deiner guten Frau einen Herrenbesuch ab.”
    Man kann sich vorstellen, dass es an dieser Stelle in Blornas Arbeitszimmer fast zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen wäre, die dem Milieu keineswegs entsprachen. Sträubleder soll – soll tatsächlich versucht haben, Trude Blorna an die Kehle zu springen, von ihrem Mann aber daran gehindert und darauf hingewiesen worden sein, dass er sich an einer Dame doch wohl nicht vergreifen wolle. Sträubleder soll – soll – gesagt haben, er sei sich nicht sicher, ob die Definition Dame auf eine so scharfzüngige Frau noch zutreffe, und es gebe eben Worte, die man in gewissen Zusammenhängen, vor allem, wenn tragische Ereignisse vermeidet würden, nicht ironisch verwenden dürfe, und wenn er noch ein einziges Mal das ominöse Wort zu hören bekomme, dann – ja, was dann – nun, dann sei es aus. Er hatte das Haus noch kaum verlassen, und Blorna hatte noch keine Gelegenheit, Trude zu sagen, sie sei nun doch vielleicht etwas zu weit gegangen, als diese ihm das Wort abschnitt und sagte: “Katharinas Mutter ist diese Nacht gestorben. Ich habe sie tatsächlich in Kuir-Hochsackel aufgetrieben.”

41.
    Bevor die letzten Um-, Ein-, Ablenkungsmanöver gestartet werden, muss hier eine sozusagen technische Zwischenbemerkung gestattet werden. In dieser Geschichte passiert zu viel. Sie ist auf eine peinliche, kaum zu bewältigende Weise handlungsstark: zu ihrem Nachteil. Natürlich ist es ziemlich betrüblich, wenn eine freiberuflich arbeitende Hausangestellte einen Journalisten erschießt, und ein solcher Fall muss aufge- oder wenigstens versuchsweise erklärt werden. Aber was macht man mit Erfolgsanwälten, die einer Hausangestellten wegen den sauer verdienten Skiurlaub abbrechen? Mit Industriellen (die im Nebenberuf Professor und Parteimanager sind), die in einer schon unreifen Sentimentalität eben dieser Hausangestellten Schlüssel zu Zweitwohnungen (und sich selbst dazu) geradezu aufdrängen; beides ohne Erfolg, wie man weiß: die einerseits Publicity wollen, aber nur eine bestimmte Art; lauter Dinge und Leute, die einfach nicht synchronisierbar sind und dauernd den Fluss (bzw. den linearen Handlungsablauf) stören, weil sie sozusagen immun sind. Was macht man mit Kriminalbeamten, die dauernd

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