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Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Die Verlorene Ehre der Katerina Blum

Titel: Die Verlorene Ehre der Katerina Blum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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bedeutet nicht, dass es nun etwa gemütlicher wurde bei den Blornas, im Gegenteil: es wurde noch ungemütlicher, denn Trude B. konnte sich nicht verkneifen, den alten Freund, während sie weiterhin in ihrer Kaffeetasse rührte, mit den Worten zu begrüßen: “Hallo Herrenbesuch.” “Ich nehme an”, sagte Blorna verlegen, “Trude hat mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen.” “Ja”, sagte Sträubleder, “fragt sich nur, ob das immer taktvoll ist.”
    Es kann hier festgestellt werden, dass es zu fast unerträglichen Spannungen zwischen Frau Blorna und Alois Sträubleder gekommen war, als jener einmal sie nicht gerade verführen, aber doch erheblich mit ihr flirten wollte und sie ihm auf ihre trockene Art zu verstehen gab, dass er sich für unwiderstehlich halte, es aber nicht sei, jedenfalls für sie nicht. Unter diesen Umständen wird man verstehen, dass Blorna Sträubleder sofort in sein Arbeitszimmer führte und seine Frau bat, sie allein zu lassen und in der Zwischenzeit (“Zeit zwischen was?” fragte Frau Blorna) alles, alles zu tun, um Katharina aufzutreiben.

40.
    Warum kommt einem plötzlich sein eigenes Arbeitszimmer so scheußlich vor, fast durcheinander und schmutzig, obwohl kein Stäubchen zu entdecken ist und alles am rechten Platz? Was macht die roten Ledersessel, in denen man so manches gute Geschäft abgewickelt und so manches vertrauliche Gespräch geführt hat, in denen man wirklich bequem sitzen und Musik hören kann, plötzlich so widerwärtig, sogar die Bücherregale ekelhaft und den handsignierten Chagall an der Wand geradezu verdächtig, als wäre es eine vom Künstler ausgeführte Fälschung? Aschenbecher, Feuerzeug, Whiskyflacon – was hat man gegen diese harmlosen, wenn auch kostspieligen Gegenstände? Was macht einen so ungemütlichen Tag nach einer äußerst ungemütlichen Nacht so unerträglich und die Spannung zwischen alten Freunden so stark, dass die Funken fast überspringen? Was hat man gegen die Wände, die, sanftgelb rauhfaserüberpinselt, mit moderner, mit Gegenwartsgraphik geschmückt sind? “Ja, ja”, sagte Alois Sträubleder, “ich bin eigentlich nur gekommen, um dir zu sagen, dass ich in dieser Sache deine Hilfe nicht mehr brauche. Du hast mal wieder die Nerven verloren, auf dem Flugplatz da im Nebel. Eine Stunde nachdem ihr die Nerven oder die Geduld verloren habt, hat sich nämlich der Nebel gelichtet, und ihr hättet immer noch gegen 18.30 Uhr hier sein können. Ihr hättet sogar bei ein wenig ruhigem Nachdenken noch in München den Flughafen anrufen, herausfinden können, dass keine Behinderung mehr vorlag. Aber Schwamm drüber. Um nicht mit falschen, gezinkten Karten zu spielen – selbst wenn kein Nebel gewesen und das Flugzeug planmäßig abgeflogen wäre, wärst du zu spät gekommen, weil der entscheidende Teil der Vernehmung dann längst abgeschlossen gewesen und im übrigen nichts mehr zu verhindern gewesen wäre.” “Ich kann gegen die ZEITUNG ohnehin nicht an”, sagte Blorna. “Die ZEITUNG”, sagte Sträubleder, “stellt keine Gefahr dar, das hat Lüding in der Hand, aber es gibt ja auch noch. Zeitungen, und ich kann jede Art von Schlagzeilen gebrauchen. nur diese Art nicht, die mich mit den Banditen in Verbindung bringt. Eine romantische Frauengeschichte bringt mich höchstens privat in Schwierigkeiten, nicht öffentlich. Da würde nicht einmal ein Foto mit einer so attraktiven Frau wie Katharina Blum schaden, im übrigen wird die Herrenbesuchstheorie fallengelassen, und weder Schmuck noch Brief – nun ja, ich habe ihr einen ziemlich kostbaren Ring geschenkt, den man gefunden hat, und ein paar Briefe geschrieben, von denen man nur einen Umschlag gefunden hat – werden Schwierigkeiten bereiten. Schlimm ist, dass dieser Tötges unter einem anderen Namen für Illustrierte die Sachen schreibt, die er in der ZEITUNG nicht bringen darf, und dass – nun ja – Katharina ihm ein Exklusiv-Interview versprochen hat. Ich habe das vor wenigen Minuten von Lüding erfahren, der auch dafür ist, dass Tötges das Interview wahrnimmt, weil man ja die ZEITUNG in der Hand hat, aber man hat keinen Einfluss auf Tötges’ weitere journalistischen Aktivitäten, die er über einen Strohmann abwickelt. Du scheinst überhaupt nicht informiert zu sein, wie?”
    “Ich habe keine Ahnung”, sagte Blorna.
    “Ein merkwürdiger Zustand für einen Anwalt, dessen Mandant ich immerhin bin; das kommt davon, wenn man in Zügen sinnlos Zeit verplempert, anstatt sich

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