Die Verlorene Ehre der Katerina Blum
einmal mit Wetterämtern in Verbindung zu setzen, die einem hätten sagen können, dass der Nebel sich bald lichten wird. Du hast also offenbar noch keine Verbindung mit ihr?” “Nein, du denn?”
“Nein, nicht direkt. Ich weiß nur, dass sie vor ungefähr einer Stunde bei der ZEITUNG angerufen und Tötges für morgen nachmittag ein Exklusiv-Interview versprochen hat. Er hat angenommen. Und es ist da noch eine Sache, die mir mehr, bedeutend mehr Kummer, die mir regelrecht Magenschmerzen verursacht” (hier wirkte Sträubleders Gesicht fast bewegt und seine Stimme bekümmert), “du kannst mich ab morgen beschimpfen, soviel du willst, weil ich euer Vertrauen ja wirklich missbraucht habe – aber andererseits leben wir ja wirklich in einem freien Land, wo es auch gestattet ist, ein freies Liebesleben zu führen, und du musst mir glauben, ich würde alles tun, um ihr zu helfen, ich würde sogar meinen Ruf aufs Spiel setzen, denn – du darfst getrost lachen – ich liebe diese Frau, nur: ihr ist nicht mehr zu helfen – mir ist noch zu helfen -, sie lässt sich einfach nicht helfen.”
“Und gegen die ZEITUNG kannst du ihr auch nicht helfen, gegen diese Schweine?”
“Mein Gott, du musst das nicht so schwer nehmen mit der ZEITUNG, auch wenn sie euch jetzt ein bisschen in die Zange nehmen. Wir wollen uns doch hier nicht über Boulevardjournalismus und Pressefreiheit streiten. Kurz gesagt, ich hätte gern, wenn du bei dem Interview dabei sein könntest, als mein und ihr Anwalt. Das Heikelste ist nämlich bisher weder bei den Vernehmungen noch in der Presse herausgekommen: Ich habe ihr vor einem halben Jahr den Schlüssel zu unserem Zweithaus in Kohlforstenheim regelrecht aufgedrängt. Den Schlüssel hat man weder bei der Haussuchung noch bei der Leibesvisitation gefunden, aber sie hat ihn oder hat ihn wenigstens gehabt, wenn sie ihn nicht einfach weggeworfen hat. Es war einfach Sentimentalität, nenne es, wie du willst, aber ich wollte, dass sie einen Schlüssel zum Haus hat, weil ich die Hoffnung nicht aufgeben wollte, dass sie mich mal da besucht. Glaub mir doch, dass ich ihr helfen, dass ich sogar hingehen und bekennen würde: Seht her, ich bin der Herrenbesuch – aber ich weiß doch: mich würde sie verleugnen, ihren Ludwig nie.”
Es war etwas ganz Neues, Überraschendes in Sträubleders Gesicht, das in Blorna fast Mitleid erweckte, mindestens aber Neugierde, etwas fast Demütiges, oder war es Eifersucht? “Was war da mit Schmuck, mit Briefen und nun dem Schlüssel?”
“Verdammt noch mal, Hubert, begreifst du denn immer noch nicht? Es ist etwas, was. ich weder Lüding noch Hach noch der Polizei sagen kann – ich bin sicher, dass sie den Schlüssel ihrem Ludwig gegeben hat und dass dieser Kerl jetzt seit zwei Tagen da hockt. ich habe einfach Angst, um Katharina, um die Polizeibeamten, auch um diesen dummen jungen Bengel, der da vielleicht in meinem Haus in Kohlforstenheim hockt. Ich möchte, dass er dort verschwindet, bevor sie ihn entdecken, möchte gleichzeitig, dass sie ihn schnappen, damit die Sache ein Ende hat. Verstehst du jetzt? Und zu was rätst du?”
“Du könntest dort anrufen, in Kohlforstenheim, meine ich.”
“Und du glaubst. dass er, wenn er da ist, ans Telefon geht?”
“Dann musst du die Polizei anrufen, es gibt keinen anderen Weg. Schon um Unheil zu verhüten. Ruf sie notfalls anonym an. Wenn auch nur die geringste Möglichkeit besteht, dass Götten in deinem Haus ist, musst du sofort die Polizei verständigen. Sonst tue ich es.”
“Damit mein Haus und mein Name doch im Zusammenhang mit diesem Banditen in die Schlagzeilen kommt? Ich dachte an etwas anderes … ich dachte, dass du vielleicht mal hinfahren könntest, ich meine nach Kohlforstenheim, so als mein Anwalt, um mal nach dem Rechten zu sehen.”
“In diesem Augenblick? Am Karnevalssamstag, wo die ZEITUNG schon weiß, dass ich meinen Urlaub überstürzt abgebrochen habe – und das habe ich nur getan, um in deinem Wochenendhaus nach dem Rechten zu sehen? Ob der Eisschrank noch funktioniert, wie? Ob der Thermostat der Ölheizung noch richtig eingestellt ist, keine Scheibe eingeworfen, die Bar noch ausreichend bestückt und die Bettwäsche nicht klamm? Dazu kommt ein hochangesehener Industrieanwalt, der eine Luxusvilla mit Swimmingpool besitzt und mit der “roten Trude” verheiratet ist, überstürzt aus dem Urlaub? Hältst du das wirklich für eine kluge Idee, wo doch ganz sicher die Herren ZEITUNGS-Reporter jede
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