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Die Verlorene Kolonie

Die Verlorene Kolonie

Titel: Die Verlorene Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Mikro aus.
     
    * * *
     
    Billy Kong beschloss, sich ein wenig mit dem anderen Gefangenen zu unterhalten. Dem Weibchen. Falls es überhaupt ein Weibchen war. Wie sollte er sich da auskennen? Es sah aus wie ein Mädchen, aber vielleicht waren Dämonenmädchen anders als Menschenmädchen. Bei der Gelegenheit konnte Billy es gleich fragen, was es nun genau war. Vielleicht weigerte sich das Wesen zu antworten, aber das kümmerte Billy nicht. Schließlich gab es Mittel und Wege, Leute zum Reden zu bringen. Man konnte sie höflich bitten. Oder ihnen Süßigkeiten geben. Doch Billy Kong zog es vor, sie zu quälen.
    Anfang der achtziger Jahre, als Billy Kong noch Jonah Lee hieß, lebte er mit seiner Mutter Annie und seinem großen Bruder Eric in Malibu an der kalifornischen Küste. Annie hatte zwei Jobs, um sich und ihre Jungs über Wasser zu halten, und so war Jonah abends mit Eric allein. Das hätte eigentlich gut funktionieren müssen. Eric war sechzehn und alt genug, um auf seinen jüngeren Bruder aufzupassen. Aber wie die meisten Sechzehnjährigen hatte er anderes im Sinn, als den Babysitter zu spielen. Auf Jonah aufzupassen hieß weniger Zeit für seine Freunde.
    Aus Erics Sicht lag das Problem darin, dass Jonah nicht allein zu Hause blieb. Sobald Eric fortging, um sich mit seinen Freunden zu treffen, schlug Jonah die Anordnungen seines Bruders in den Wind und stromerte durch das nächtliche Los Angeles. Und die Straßen einer Großstadt waren nun mal nicht der richtige Ort für einen Achtjährigen. Also musste Eric sich eine Strategie ausdenken, wie er Jonah dazu kriegte, zu Hause zu bleiben, damit er selbst ungestört umherziehen konnte.
    Die perfekte Lösung fand sich rein zufällig eines Nachts, als er nach einem Gerangel mit dem anderen Freund seiner Freundin und dessen Brüdern nach Hause kam.
    Ausnahmsweise war Jonah mal nicht ausgeflogen, sondern hockte vor dem Fernseher und sah sich auf einem illegal angezapften Privatsender Horrorfilme an. Eric, der schon immer impulsiv und leichtsinnig gewesen war, hatte mit der Freundin eines Gangsters aus dem Viertel angebandelt. Der hatte Wind davon gekriegt, und jetzt war die ganze Bande hinter ihm her. Sie hatten ihn in die Mangel genommen, aber er war ihnen entwischt. Er war blutverschmiert und müde, und trotzdem machte ihm das Ganze irgendwie Spaß.
    »Schließ die Tür ab«, rief er seinem kleinen Bruder zu, der erschrocken aus seiner Trance vor dem Fernseher hochfuhr.
    Jonah sprang auf und machte große Augen, als er das Blut an Erics Nase und Mund sah. »Was ist denn mit dir passiert?«
    Eric grinste. Das war typisch für ihn - erschöpft und angeschlagen, aber bis zu den Haarspitzen mit Adrenalin vollgepumpt. »Die haben mich... Da waren ein paar...«
    Und dann hielt er inne, weil ihm plötzlich eine Idee kam. Er musste ziemlich übel aussehen. Vielleicht konnte er das dazu nutzen, den kleinen Jonah im Haus zu halten, während Mom arbeitete.
    »Das darf ich dir nicht verraten«, sagte er und verschmierte mit dem Ärmel das Blut im Gesicht. »Ich musste es schwören. Schließ einfach die Tür ab und lass die Rollos herunter.«
    Normalerweise ließ Jonah sich von der theatralischen Art seines Bruders nicht beeindrucken, aber diesmal war da Blut, dazu der Horror im Fernsehen, und er hörte Schritte draußen in der Einfahrt.
    »Mist, sie haben mich gefunden«, fluchte Eric, als er durch den Spalt eines Rollos spähte.
    Der kleine Jonah packte seinen Bruder am Ärmel. »Wer hat dich gefunden, Eric? Du musst es mir verraten.«
    Eric tat, als denke er darüber nach. »Also gut«, sagte er schließlich. »Ich gehöre zu einem... äh... Geheimbund. Wir kämpfen gegen einen verborgenen Feind.«
    »Eine Bande?«
    »Nein«, sagte Eric. »Wir kämpfen gegen Dämonen.«
    »Dämonen?«, sagte Jonah, halb zweifelnd, halb verängstigt.
    »Ja. Sie sind überall in L. A. Tagsüber sind sie ganz normale Leute, Buchhalter und Basketballspieler und so. Aber nachts schlüpfen sie aus ihrer Haut und machen sich auf die Jagd nach Kindern unter zehn.«
    »Unter zehn? So wie ich?«
    »Ja, so wie du. Ich habe diese Dämonen dabei überrascht, wie sie an Zwillingen kauten. Mädchen, ungefähr acht Jahre alt. Die meisten von ihnen habe ich getötet, aber ein paar sind mir offenbar gefolgt. Wir müssen ganz still sein, vielleicht verschwinden sie dann.«
    Jonah rannte zum Telefon. »Wir müssen Mom Bescheid sagen.«
    »Nein!«, sagte Eric und entriss ihm den Hörer. »Willst du etwa, dass sie

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