Die verlorene Tochter (Romantik Thriller /Unheimlich) (German Edition)
soweit?" fragte Julie ungeduldig. "Bald ist es dunkel, und wir sind noch immer nicht da."
"Dunkel wird es noch lange nicht, Julie", erwiderte ihre Mutter. "Außerdem sind es nur noch fünf Kilometer bis Winslow Manor, also nicht mehr als ein Katzensprung."
"Keine Katze springt fünf Kilometer." Julie strahlte sie an. "Ich freue mich ja so, Mommy. Vielleicht werden wir in einem Tur mzimmer wohnen. Ob es auf Winslow Manor goldene Teller und goldene Löffel gibt, so wie in den Märchenschlössern?"
"Darauf wirst du wohl verzichten müssen, Lovely." Sharon fiel es schwer, nicht aufzulachen. Julie konnte noch nicht verstehen, daß sie zwar auf Winslow Manor leben würden, aber keineswegs als Gäste, sondern daß sie mehr oder weniger zum Personal g ehörten. Sie hoffte, daß es noch mehr Kinder auf dem Besitz gab und ärgerte sich, daß sie vergessen hatte, den Anwalt danach zu fragen. Andererseits würde Julie dennoch nicht einsam sein. Immerhin würde sie die Schule besuchen und auch dadurch neue Freunde finden.
"Schau, dort ist ein Hinweisschild."
"Winslow Manor", buchstabierte Julie. Sie wandte sich ihrer Mutter zu. "Ich kann doch schon gut lesen, nicht wahr?"
"Ganz prima." Sharon bog von der Hauptstraße zum Meer ab. Einen Kilometer weiter erreichten sie eine hohe Hecke, in die ein schmiedeeisernes Tor eingela ssen war. Es stand geschlossen.
Die junge Frau brachte ihren Wagen zum Stehen, stieg aus und klingelte. Keine zwei Minuten später fragte eine schnarrende Stimme, was sie wünschte. Als sie ihren Namen nannte, schwang das Tor wie von Geisterhand bewegt auf.
Vor ihnen zog sich eine gewundene Straße durch eine Allee seltsam verschnittener Platanen. Sie mündete auf einem weiten Platz, an dessen anderem Ende sich eines der schönsten Herrenhäuser erhob, die Sharon jemals gesehen hatte. Keines der Fotos hatte auch nur annähernd den Reiz Winslow Manors widergegeben. Das hohe dunkle Gebäude mit seinen spiegelnden Fenstern, Balkonen, Erkern und Giebeln erschien ihr wie ein verwunschenes Märchenschloß.
"Ist das hier schön!" Julie kletterte aus dem Wagen. "Werden wir hier wirklich wohnen, Mommy?" Mit ausgestreckten Armen drehte sie sich im Kreis.
"Ja, wir werden hier wohnen", erwiderte Sharon und stieg ebenfalls aus. "Wir..." Eine riesige Dogge jagte auf sie zu. "Julie, paß auf!" Erschrocken riß sie ihre Tochter an sich.
"Robin liebt Kinder", sagte Vincent Lord Winslow und trat hinter einem Pavillon hervor, der sich seitlich des Brunnens b efand. "Brav, Robin. Sitz!"
Die dunkle Dogge ließ sich auf ihre Hinterpfoten fallen. He rausfordernd blickte sie die Besucher an.
"Bist du ein braver Hund?" fragte Julie. Noch ehe Sharon es verhindern konnte, streckte sie ihre Hand aus. Robin leckte mit seiner langen Zunge über die Finger des kleinen Mädchens.
"Robin ist ein sehr braver Hund", meinte Lord Winslow und hieß erst Sharon, dann Julie herzlich auf seinem Besitz willkommen. Er beugte sich zu der Kleinen hinunter und meinte: "Du siehst genauso reizend aus wie damals auf der Modenschau."
"Dabei trage ich heute nur Jeans." Julie blickte zu ihm auf. "Mögen Sie Kinder?"
"Ja, ich habe Kinder sehr gerne." Er wandte sich an Sharon. "Ich hoffe, Sie hatten eine gute Fahrt, Mistreß Miles. Sie ahnen nicht, wie sehr ich mich freue, daß Sie mein Angebot angenommen haben."
Bevor Sharon antworten konnte, trat ein grauhaariger Butler aus dem Haus. Lord Winslow machte sie und Julie mit ihm b ekannt. Dann stellte er ihr noch Mrs. Hale vor, die seit Jahren als Hausdame bei ihm arbeitete.
"So, jetzt werde ich Ihnen erst einmal Gelegenheit geben, in Ruhe Ihre Koffer auszupacken", sagte er dann. "Mistreß Hale wird Ihnen Ihre Suite zeigen. Wir sehen uns dann beim Dinner." Er nickte ihr zu, rief Robin an seine Seite und kehrte mit ihm zum Pavillon z urück.
"Ich mag Lord Winslow", flüsterte Julie vernehmlich.
"Es ist schön, daß Sie Ihre kleine Tochter mitgebracht haben, Mistreß Miles", meinte die Hausdame, während sich der Butler darum kümmerte, daß Sharons Gepäck ins Haus gebracht wurde. "Ist Ihnen diese Ähnlichkeit aufgefallen, Mister Jones?" wandte sie sich an den alten Mann. "Julie sieht fast so aus wie unsere Miß Viola."
"Wer ist Miß Viola?" erkundigte sich Julie.
"Miß Viola lebt schon lange nicht mehr." Mrs. Hale schenkte ihr ein Lächeln. "Dir wird es bei uns bestimmt gefallen." Gedankenverloren strich sie der Kleinen durch die Haare, dann erinnerte sie sich plötzlich wieder Sharons. "Seine
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