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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eckart Klessmann
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Sie schleppten die beiden über den Fluß zurück undüberließen sie »einigen Juden und Bauern zur Bewachung«. Dennoch gelang ihnen die Flucht zurück über den Fluß, wo sie sich »in einem einzeln gelegenen Haus, dessen Besitzer gute Menschen waren«, verstecken konnten. »Einige Augenblicke darauf kam ein deutscher Jude, ein braver Mann, der unweit davon ein Gut besaß. Dieser nahm uns in sein Haus auf, wo er uns vor den Kosaken verbarg, welche noch immer da herumschwärmten, auch einigemal im Hause selbst nachsuchten, ohne uns zu finden. Bei dem Juden trafen wir auch einige badische Husaren. Er ließ uns allen Fleisch und Kartoffeln kochen, wofür er gar nichts abnahm, obschon wir noch mit Geld versehen waren, weil uns die Kosaken nicht ganz ausgeplündert hatten. Nachdem es dunkel geworden war, begleitete er uns auf die Straße, die nach Polnisch-Neustadt führt.«
    Auch Christian von Martens, der am 16. Dezember im »tief eingeschneiten Städtchen Stallupönen« eintraf, fand freundliche Aufnahme. »Da standen vor dem Orte staunend die freundlichen Bewohner haufenweise mit ihren schwarzen Pelzmützen und weißen Röcken; Neugierde und tiefes Mitleiden war in ihren gutmütigen Zügen nicht zu verkennen, und wie durch einen Zauberschlag fanden wir uns plötzlich unter gesittete und teilnehmende Menschen versetzt. Einquartiert zu werden wurde mir erst bewußt, als man uns darauf aufmerksam machte, so sehr waren wir gewohnt, uns das Nachtquartier selbst aufzusuchen. Die Besorgung der Billets für den General, Leutnant Hofmann und meine Wenigkeit war aber nicht so leicht, zwei volle Stunden mußte ich warten, bis ich dazu kommen konnte; eine Menge Franzosen versperrten den Weg, und erst als ich mich als Deutscher zu erkennen gab, beeilten sich die Polizeidiener, mir Bahn zu brechen. Demütig standen nun die bisher herrschsüchtigen Franzosen uns zurück und durften zufrieden sein, mitleidig angenommen zu werden.
    Für das lange Warten wurden wir durch die recht freundlicheAufnahme bei einer bejahrten Witwe entschädigt, die alles aufbot, um uns den ersten Eindruck möglichst günstig zu gestalten. Wie sehr uns das gute Essen nach einem achtstündigen Marsche schmeckte, vermag nur zu ermessen, wer solchen Entbehrungen, wie wir erdulden mußten, ausgesetzt war. Am gedeckten Tische zu sitzen, Messer, Gabel und Löffel in die Hand zu nehmen war wieder so neu für uns, daß ich mich anfangs so ungeschickt wie ein Neuseeländer benahm; man kam immer in Versuchung, mit der Hand statt mit der Gabel zuzugreifen; die gute Frau verstummte in ihrem Mitleidsgefühl, und es gehörte bei ihr gewiß einige Überwindung dazu, in Gesellschaft solch abstoßender Gestalten, wie wir damals noch waren, zu verweilen.«
    In Insterburg, das sie von Gumbinnen aus am 18. mit einem Schlitten erreichten, fanden die drei Württemberger sich bei einer Familie von Streng einquartiert:
    »Er bewohnt mit seiner Familie eines der schönsten Häuser von Insterburg, und wir nahmen Anstand, in unserem fatalen Zustande diese schönen Räume zu betreten und überhaupt uns nur diesen Leuten zu nähern. Die gute Hausfrau sah unsere Lage wohl ein, indem frische Wäsche schon in Bereitschaft stand, als wir die uns angewiesenen Zimmer betraten: mit nicht zu beschreibender Wollust zog ich jene an und warf die bisher getragene, von Ungeziefer strotzende und in Lumpen zerfallene mit Blitzesschnelle den Abtritt hinunter, um solche dem Anblick eines jeden zu entziehen. (…) Nach vorgenommener Reinigung setzten wir uns an den reich besetzten Tisch, und die wackern Leute hatten ihre Freude an unserem guten Appetit, wobei aber die lieblichen Kinder stumm und staunend wohl nicht begreifen konnten, daß ihre Eltern Leute in einem so verwahrlosten, bettlerähnlichen Zustande nur aufnehmen konnten.
    Nach dem Essen erschien der bestellte Arzt, der unsere erfrorenen Glieder untersuchte und gehörige Weisung zur Heilung derselben uns erteilte; auch unsere Lagerstätte entsprachunserem Zustande besser als jene von Stallupönen, feste Matratzen waren geeigneter als Federbetten, um die krassen Träume zu verscheuchen.
    19. Dezember. Als wir zum Frühstück diesen Morgen in das Wohnzimmer unserer Wohltäter traten, fanden wir den Tisch mit Pelzwerk belegt; mit Mützen, Handschuhen, Fußbekleidung und selbst einen Fußsack für unsern General wurden wir freudig überrascht. Der Großmut des Herrn v. Streng ging so weit, daß er uns für die Weiterreise eine Geldsumme bot,

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