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Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition)

Titel: Die verlorenen Spuren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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Reichweite. Jede weitere Plauderei über Architektur oder Literatur wäre für sie zur Qual geworden. Sie lächelte gespielt verständnislos (Hogwarts?), worauf er mitleidig nickte (Muggel), dann kamen sie zur Sache.
    »Die Sammlung liegt im Lesesaal für Sie bereit«, sagte der junge Mann. »Ich werde Sie begleiten, okay? Für jemanden, der sich nicht auskennt, ist das hier ein regelrechtes Labyrinth.«
    Laurel folgte Ben, der ihr enthusiastisch die Geschichte des New College erklärte, durch einen mit Steinplatten gefliesten Korridor, bis sie nach zahlreichen Ecken und Biegungen endlich in einen großen Raum voller Tische gelangten, aus dessen Fenstern man auf eine eindrucksvolle alte, mit Efeu bewachsene Wand schaute.
    »So, da wären wir«, sagte Ben und blieb an einem Tisch stehen, auf dem sich ungefähr zwanzig Kartons stapelten. »Glauben Sie, Sie können hier arbeiten?«
    »Selbstverständlich.«
    »Großartig. Neben den Kartons liegen ein Paar Handschuhe. Bitte benutzen Sie die, wenn Sie das Material anfassen. Ich bin da drüben, falls Sie mich brauchen.« Er zeigte auf einen Tisch in einer Ecke. »Ich habe noch einiges zu transkribieren«, er klärte er ihr. Aus Angst, er könnte ihr eine Antwort geben, fragte Laurel lieber nicht, was er transkribieren musste, und Ben verabschiedete sich mit einem Nicken.
    Laurel blieb einen Moment stehen, um sich an die Stille im Lesesaal zu gewöhnen. Endlich war sie allein mit Katy Ellis’ Briefen. Zum Zeichen ihrer Entschlossenheit ließ sie ihre Fingerknöchel knacken, dann setzte sie ihre Lesebrille auf, zog die weißen Handschuhe an und machte sich auf die Suche nach Antworten.
    Die Kartons sahen alle gleich aus – braune, säurefreie Pappe, jeder etwa so groß wie ein Band einer Enzyklopädie. Sie waren mit einem Code beschriftet, der sich Laurel nicht erschloss. Sie überlegte kurz, ob sie Ben um eine Erklärung bitten sollte, fürchtete jedoch, dass das zu einem längeren Vortrag über die Geschichte des Bibliothekswesens führen könnte, und ließ es lieber bleiben. Anscheinend waren die Kartons in chronologischer Reihenfolge gestapelt worden … Laurel hoffte, dass sie die Übersicht schon bekommen würde, wenn sie sich erst einmal an die Arbeit machte.
    Sie nahm den obersten Karton herunter und öffnete ihn. Es befanden sich mehrere große Briefumschläge darin. Der erste enthielt etwa zwanzig zu einer dünnen Broschüre zusammengeheftete Briefe. Laurel betrachtete den großen Stapel Kartons. Katy Ellis war offensichtlich eine eifrige Briefeschreiberin gewesen, aber mit wem hatte sie korrespondiert? Allem Anschein nach waren die Briefe chronologisch geordnet, aber es musste eine bessere Methode geben, zu finden, was sie suchte, als einfach beim ersten Karton anzufangen.
    Laurel trommelte nachdenklich mit den Fingern auf den Tisch, dann ließ sie den Blick über ihre Brille hinweg über den Tisch wandern. Sie lächelte, als sie entdeckte, was sie übersehen hatte – die Karteikarte mit dem Inhaltsverzeichnis. Sie nahm sie in die Hand und überflog sie, um nachzusehen, ob auf der Karte die Namen der Absender und Empfänger aufgelistet waren. Sie wurde nicht enttäuscht. Mit angehaltenem Atem fuhr Laurel mit dem Zeigefinger über die Liste der Absender, zögerte kurz bei J wie Jenkins, dann bei L wie Longmeyer.
    Keiner der Namen tauchte in der Liste auf.
    Laurel ging die Liste noch einmal durch, diesmal gründlicher. Kein Treffer. Kein einziger Hinweis auf Briefe von Vivien Longmeyer oder Vivien Jenkins. Und doch hatte Katy Ellis in ihrem Buch Zum Lehren geboren , aus dem in der Biografie von Henry Jenkins zitiert wurde, solche Briefe erwähnt. Laurel nahm die Fotokopie heraus, die sie in der British Library gemacht hatte. Da stand es Schwarz auf Weiß: Im Verlauf unserer langen Schiffsreise gelang es mir, Viviens Vertrauen so weit zu gewinnen, dass ich eine Beziehung zu ihr aufbauen konnte, die viele Jahre währen sollte. Bis zu ihrem tragischen und frühzeitigen Tod im Krieg standen wir in regelmäßigem Briefkontakt …
    Zähneknirschend überprüfte Laurel die Liste ein letztes Mal.
    Nichts.
    Es ergab keinen Sinn. Katy Ellis hatte selbst erwähnt, dass sie einander regelmäßig geschrieben hatten – über Jahre hinweg. Wo waren diese Briefe? Laurel schaute zu Ben, der über seine Arbeit gebeugt dasaß. Sie hatte keine andere Wahl.
    »Das sind alle Briefe, die uns übergeben wurden«, antwortete er, als sie ihm ihr Problem erklärte. Als Laurel ihm ihre

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