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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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– groß genug, dass Bri bequem auf ihm sitzen konnte. Und er hatte sogar Fußrasten, damit sie auf dem langen Weg nach Port Authority auch mal die Position wechseln konnte. Er war aus schwerem Kunststoff, mit hohen Kufen, so dass Bri nicht nass werden würde. Der einzige Nachteil war, dass es nur ein einziges Zugseil gab, was bedeutete, dass immer nur einer allein den Schlitten ziehen konnte. Aber wahrscheinlich hätten er und Julie sich sowieso nur gestritten, wenn sie die Aufgabe zu zweit angegangen wären.
    Es war ein seltsames Gefühl, die Tür zur Kellerwohnung aufzuschließen. Seit dem Umzug nach 12 B war Alex nicht mehr hier gewesen, aber es war unsinnig, den Schlitten in den zwölften Stock zu schleppen, wenn sie ihn schon wenige Tage später wieder brauchen würden. Seit dem Schneesturm gab es keinen Strom mehr, nicht mal mehr an Werktagen. Alex konnte es kaum erwarten, von hier wegzukommen.
    Die Wohnung roch nach Moder und Schimmel. Kaum zu glauben, dass ihnen das nie aufgefallen war, als sie noch hier wohnten. Wir haben gelebt wie die Tunnelmenschen, dachte er. Aber schon in ein paar Tagen würden sie zur Elite gehören.
    Er ging ins Schlafzimmer seiner Eltern und holte die Kartons aus dem Schrank. In dem spärlichen Tageslicht war kaum etwas zu erkennen und er hatte vergessen, eine Taschenlampe oder Kerze mitzubringen, aber schließlich fand er alle ihre Geburtsurkunden und Taufscheine.
    Er warf einen letzten Blick in die übrigen Zimmer, falls ihm doch noch irgendetwas auffiel, das sie unbedingt mitnehmen mussten. In der Küche, neben dem Telefon, lag immer noch der Zettel mit der Nachricht, dass sie in Apartment 12 B gezogen waren. Er war nicht sicher, was er damit machen sollte. Einen neuen Zettel zu schreiben kam ihm sinnlos vor, schließlich wusste ja keiner, wo sie am Ende landen würden.
    Sobald Bri und Julie sicher untergebracht wären, würde er sich auf die Suche nach Carlos machen und ihm sagen, wo die Mädchen waren. Auch für seine Eltern wäre Carlos am leichtesten ausfindig zu machen, falls sie doch noch irgendwann zurückkommen sollten. Den Zettel ließ Alex liegen, falls einer von ihnen noch vor Montag hier auftauchen würde. Dann schaute er sich ein letztes Mal in seinem Zuhause um. Er konnte sich noch erinnern, wie sie hierhergezogen waren, als er fünf war. Er war rausgegangen, um mit den Kindern auf der Straße zu spielen, und hatte etwas auf Spanisch zu ihnen gesagt. Alle hatten ihn ausgelacht und er war weinend zu seiner Mutter gelaufen.
    »Hier musst du Englisch sprechen«, hatte Mamá zu ihm gesagt. »Kein Spanisch mehr.«
    Das fiel ihm nicht weiter schwer; schließlich war er mit beiden Sprachen aufgewachsen. Trotzdem hatte er danach nie wieder mit den Nachbarskindern gespielt. Carlos schon, kein Problem. Aber Alex hatte immer das Gefühl gehabt, die anderen Kinder würden ihn verachten. Lauter kleine Danny O’Briens.
    Doch in fünf Tagen würde er selbst ein Danny O’Brien werden. Wie in einem Dickens-Roman, dachte er. Ein Findelkind entdeckt, dass es in Wirklichkeit der Sohn reicher Eltern ist. Natürlich war er weder ein Findelkind noch Sohn reicher Eltern, aber das Grundkonzept war schließlich das Gleiche. Und er hatte sich diesen sozialen Aufstieg allein durch schulischen Fleiß und Ehrgeiz verdient. Mr Flynn hätte die Passierscheine schließlich nicht jedem in die Hand gedrückt. Er hatte sie ihm nicht aus Mitleid gegeben, sondern aus Respekt.
    Papá wäre stolz auf mich, dachte er. Ich habe meine Schwestern beschützt, wie ein richtiger Mann.
    Freitag, 9 . Dezember
    Er hatte Julie geweckt, damit sie sich mit ihm in die Lebensmittelschlange stellte. Er hätte sie lieber schlafen lassen, aber sie hatten nichts mehr zu essen im Haus, und wenn sie das Wochenende überstehen wollten, brauchten sie jede Konservendose, die sie kriegen konnten.
    Das Anstehen schien heute allerdings nicht besonders gefährlich zu sein; es waren ohnehin kaum Leute gekommen. Alex achtete trotzdem darauf, dass Julie immer dicht neben ihm blieb. Die Temperatur war gefallen, seiner Schätzung nach auf zwanzig Grad unter null. Die Hölle ist nicht heiß, dachte er. Sie ist kalt, so kalt wie hier.
    »Wo steckt eigentlich Kevin?«, fragte Julie irgendwann.
    Er hatte zwar mit dieser Frage gerechnet, aber das machte die Antwort nicht leichter. »Kevin ist tot«, sagte er.
    »Weißt du das genau?«, fragte Julie. »Vielleicht ist er ja bloß verschwunden.«
    »Ich war dabei, als er gestorben ist«,

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