Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
Vom Netzwerk:
Kreuz und legte es auf Kevins Herz. Dann schloss er seinem Freund die Augen.
    Irgendwann würden Kevins Eltern anfangen, sich Sorgen zu machen, dachte er, während er auf die Leiche zustapfte, die er vorhin entdeckt hatte. Vielleicht wussten sie, wo Alex wohnte, aber sie würden wohl kaum wissen, in welche Wohnung die Familie Morales inzwischen gezogen war. Wahrscheinlich würden sie als Erstes in der Schule nachfragen, ob dort jemand Kevin gesehen hatte.
    Alex zog der toten Frau den diamantbesetzten Ehering vom Finger. Er beschloss, Kevins Armbanduhr in die Schule mitzunehmen und Pater Mulrooney zu geben. Schließlich war es die Aufgabe eines Priesters, einer Familie Trost zu spenden. Und Alex’ Aufgabe war es, seine Schwestern am Leben zu halten.
    Mit dem Ring, der Waffe und der Uhr in der Tasche machte sich Alex auf den Rückweg. Vielleicht, dachte er, würden der Diamantring und die Pistole reichen, um irgendeine Transportmöglichkeit für Bri zu organisieren. Kevin hätte das gefallen.
    Dienstag, 6 . Dezember
    »Ich muss euch eine traurige Mitteilung machen«, erklärte Pater Mulrooney der Handvoll Jungen, die mittlerweile die gesamte Schülerschaft der St. Vincent de Paul Academy darstellten.
    Alex wartete auf die Nachricht von Kevins Tod. Am Tag zuvor hatte er Pater Mulrooney davon erzählt, und der Priester schien aufrichtig betrübt.
    »Mr Kim ist gestorben«, sagte Pater Mulrooney stattdessen. »Plötzlich und unerwartet. Sein Tod hinterlässt eine große Lücke in unserer Gemeinschaft.«
    Mr Kim hatte die Naturwissenschaften wenn schon nicht mit großer Kenntnis, so doch mit großer Begeisterung unterrichtet. Alex hatte ihn gemocht, aber er gehörte sicher nicht zu denen, die er vermissen würde.
    Trotzdem war es beklemmend, von seinem Tod zu erfahren. Ein weiterer Grippozid, vermutete Alex.
    Mittwoch, 7 . Dezember
    »Sie müssen mir etwas besorgen«, sagte Alex. »Ich habe auch etwas zum Tauschen.«
    »Für einen Freund von Kevin tue ich alles«, antwortete Harvey. »Komisch, den hab ich in den letzten Tagen gar nicht mehr gesehen.«
    Alex zuckte die Achseln. »Ich brauche einen Schlitten«, sagte er.
    Harvey lachte. »Vielleicht gleich noch ein Hundegespann dazu?«, fragte er.
    »Nur einen ganz normalen Schlitten«, erwiderte Alex. »Nicht zu groß, damit ich ihn alleine ziehen kann. Aber auch nicht zu klein, nicht so einen für Kinder.«
    Harvey schien zu überlegen. »Das sollte sich machen lassen«, sagte er. »Wann brauchst du ihn?«
    »So bald wie möglich«, sagte Alex. Wäre ihm das doch schon früher eingefallen! Aber nach Kevins Tod hatte er kaum einen klaren Gedanken fassen können. Vielleicht hatte es auch am Hunger gelegen und Kevins Tod war nur eine Ausrede. Aber das war jetzt nicht mehr wichtig. Wichtig war nur, dass er eine Möglichkeit fand, Bri irgendwie nach downtown zu bringen.
    »Du wolltest mir etwas zum Tausch anbieten«, sagte Harvey. »Ein Schlitten ist keine ganz billige Anschaffung. Nicht bloß eine Dose Erbsen. Was hast du dabei?«
    Alex zog den Diamantring und Kevins Pistole hervor. »Was sagen Sie jetzt?«, fragte er.
    »Ich bin beeindruckt«, antwortete Harvey. »Die Knarre gefällt mir. Dafür gibt es immer einen Markt. Die hast du mir wohl vorenthalten, was? Hast du noch mehr solche Ware auf Lager?«
    Alex dachte an die letzten vier Bierdosen seines Vaters, die er für den Notfall zurückbehalten hatte. »So was Gutes nicht mehr«, sagte er. »Aber ich brauche diesen Schlitten ganz dringend.«
    »Pass auf«, erwiderte Harvey. »Morgen früh kommst du wieder vorbei; dann weiß ich, ob ich diesen Schlitten besorgen kann oder nicht. Hast du sonst noch was für mich?«
    Alex warf einen Blick auf die Dosen mit Spinat, die hinter dem Tresen im Regal standen.
    »Könnte ich vielleicht ein bisschen Spinat auf Kredit bekommen?«
    »Kredit worauf?«, fragte Harvey und brach in Gelächter aus. »Tut mir leid, Junge. Nur gegen Bares. Keine Almosen mehr, bloß weil ich dich gut leiden kann.«
    Alex nickte. »Ich dachte, ich frag einfach mal«, sagte er.
    »Fragen kostet nichts«, bestätigte Harvey. »Wir sehen uns morgen früh. Vielleicht hab ich dann schon einen Schlitten für dich. Und wer weiß, vielleicht leg ich auch gleich noch eine Dose Spinat mit drauf, wenn ich schon mal dabei bin.«
    Donnerstag, 8 . Dezember
    Harvey hatte sich wieder mal selbst übertroffen, dachte Alex, während er den Schlitten die Stufen zu ihrer alten Kellerwohnung hinuntertrug. Er war nahezu perfekt

Weitere Kostenlose Bücher