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Die Verlorenen von New York

Die Verlorenen von New York

Titel: Die Verlorenen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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dich doch freuen«, sagte Bri an Julie gewandt.
    »Ich würd aber lieber hingehen«, sagte Julie. »Ich langweile mich hier. In der Schule hat man wenigstens was zu tun und sieht seine Freunde.«
    »Hier habt ihr auch was zu tun, ihr beide«, sagte Alex. »Nach dem Frühstück könntet ihr zum Beispiel die Lebensmittel von Onkel Jimmy wegräumen.«
    »Die werden nicht alle in die Schränke passen«, meinte Bri.
    »Dann verstaust du sie eben woanders«, sagte Alex. »Ihr wisst, dass Mamá und Papá es nicht leiden können, wenn es hier so unordentlich ist. Ach, da fällt mir ein: Hast du zufällig daran gedacht, bei Onkel Jimmy ein paar Batterien einzupacken, Julie?«
    Julie schüttelte den Kopf. »Du vielleicht?«, fragte sie.
    »Dann würde ich wohl kaum fragen«, erwiderte Alex.
    »Wozu brauchen wir denn Batterien?«, fragte Bri. »Die Taschenlampe geht doch noch.«
    »Ich wollte welche fürs Radio haben«, sagte Alex. »Aber dann muss das wohl warten.«
    »Und was hast du heute vor?«, fragte Julie.
    »Ich muss noch ein paar Sachen abklären«, sagte Alex. »Kümmer du dich lieber um deinen Kram, und ich kümmer mich um meinen.«
    »Zu Befehl, Chef«, sagte Julie.
    Alex ließ seine Schwestern allein und ging ins Schlafzimmer seiner Eltern. Wenn Mamá ihn dabei erwischte, wie er in ihren Sachen wühlte, würde sie ihm den Hals umdrehen. Aber er musste unbedingt wissen, ob noch irgendwo Geld im Haus war. Er hatte zwar noch sein Trinkgeld vom Mittwochabend – mehr als sonst, dank des Typen aus 12 B –, aber viel war das trotzdem nicht.
    Er fing mit der Kommode an, für den Fall, dass seine Eltern einen Umschlag mit Geld unter ihrer Wäsche versteckt hatten. Danach zog er die Schubladen in den Nachttischchen auf. Auch dort fand er kein Geld, nur Mamás Rosenkranz. Hätte sie den jetzt bloß bei sich.
    Als Nächstes durchsuchte Alex den Kleiderschrank und wühlte in den Hosentaschen seines Vaters. Er wurde mit einer Handvoll Münzen und zwei Dollarscheinen belohnt.
    Auf dem Nachttisch seines Vaters lag der Schlüssel zu dem Büro, in dem er seine Sachen für die Arbeit aufbewahrte. Es war unwahrscheinlich, dass dort Geld zu finden war, aber Alex musste trotzdem einmal nachsehen. Sein Vater ließ die Kinder nie allein in diesen Raum, nur Carlos war schon mal längere Zeit mit ihm dort gewesen.
    Alex ging durchs Wohnzimmer, wo Bri und Julie schon eifrig bei der Arbeit waren. »Wo gehst du hin?«, fragte Bri.
    »In Papás Büro«, sagte Alex.
    »Das wird ihm aber gar nicht gefallen«, sagte Julie.
    »Er wird’s schon verstehen«, meinte Bri. »Erst recht, wenn er sieht, wie viel eingelegte Pilze du ihm mitgebracht hast, Julie.«
    Alex musste grinsen, als er sich vorstellte, wie sein Vater monatelang nur eingelegte Pilze essen würde. Er zog die Wohnungstür hinter sich zu und ging die wenigen Schritte zum Büro. Es war nicht viel größer als eine Besenkammer, aber Papá hatte einen Schreibtisch hineingestellt und vielleicht bewahrte er dort ja doch ein bisschen Geld auf.
    In der Ecke stand eine Minibar, und neugierig schaute Alex hinein. Drei Dosen Bier und ein ungeöffnetes Sixpack. Sollte Julie ihn irgendwann in den Alkoholismus treiben, hatte er es zumindest nicht weit.
    Im Schreibtisch seines Vaters fand er ein Wohnungsverzeichnis, ein Kartenspiel und zwei Briefumschläge. Beide waren zugeklebt, aber man konnte fühlen, dass sie Schlüssel enthielten. Auf einem Umschlag stand 11 F, auf dem anderen 14 J. 11 F fühlte sich an, als wäre auch Geld darin. Neugier und Verzweiflung waren stärker als die Angst, und Alex öffnete den Umschlag. Er fand darin zwei Zwanziger und eine Farbkarte. Offenbar hatte sich sein Vater bereit erklärt, Apartment 11 F zu streichen, und sollte von dem Geld die Farbe kaufen. Na ja, wenn seine Eltern es tagelang nicht schafften, nach Hause zu kommen, dann standen die Chancen gut, dass auch die Leute aus 11 F oder 14 J nicht so bald zurückkommen würden.
    Alex steckte die Briefumschläge in die Hosentasche. Er überlegte, was er mit dem Bier anstellen sollte, und beschloss, dass es in der Wohnung sicherer wäre. Außerdem wollte Papá bestimmt als Erstes ein Bier, wenn er nach Hause kam – wann auch immer.
    Alles zusammengenommen – sein Trinkgeld, das Kleingeld aus Papás Hose und die vierzig Dollar von 11 F – kam Alex auf etwas mehr als fünfzig Dollar in bar. Damit sollten sie wohl erst mal über die Runden kommen.
    Er ging in die Wohnung zurück, mit den Bierdosen unter dem Arm.

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