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Die Vermessung der Frau

Die Vermessung der Frau

Titel: Die Vermessung der Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regula Stämpfli
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Die gadgets hatten dabei noch den Bonus, mehr und mehr die Welt zu kontrollieren – etwas, was viele Männer anstreben: Kontrolle. So raubten die Instrumente der Welt und den Menschen, insbesondere den Frauen immer mehr und immer schneller alle Geheimnisse. Die Männer schauten den Frauen nicht nur beim Gebären zu, sondern versuchten, den natürlichen Akt bis zur perfectio zu imitieren. Dabei sind sie übrigens schon ganz weit gekommen. Doch ouuuups! Die technischen Tricks der Männer wenden sich manchmal auch ganz heftig gegen das eigene, »starke« Geschlecht. »Krise Mann« titeln die Zeitschriften schon seit ein paar Jahren in regelmäßigen Abschnitten. Denn mittlerweile merken die Halbgötter in Weiß, dass sie mit der künstlichen Herstellung des Menschen mehr und mehr darauf hinarbeiten, dass wir früher oder später Männer eventuell unter eine Form des Artenschutzes stellen müssen.

    Die Entdeckung des Himmels durch das Teleskop (1608) folgte der Entdeckung des menschlichen Körpers durch Leonardo da Vinci über 100 Jahre zuvor. Dies war kein Zufall. Denn einer Neuerfindung der Welt muss immer eine Verletzung des Menschen (und sei es nur im Menschenbild) vorangehen. Die Ausleuchtung des Menschen bereitete den Boden vor, den Himmel und damit Gott zu stürzen. Leonardo da Vincis Messer ist ein metaphysisches Stück erster Güte. Es sezierte menschliche Leichen, die aus diversen Friedhofsplünderungen auf seinem Tisch landeten. Es war Leonardo da Vinci, der auch zum ersten Mal seit der Antike wieder einen Menschen vermaß. Aus dem Jahr 1492 stammt die Studie über die Körperproportionen nach Vitruv (der »vitruvianische Mensch«), die den Menschen so zeigt, wie er noch nie gesehen wurde und in dieser Form bis heute einen großen Eindruck hinterlässt. Leonardo war besessen von der Idee, das Innere des Menschen zu erforschen und auszuleuchten. Leonardo wäre von den heutigen Techniken, den Menschen bis in die letzten Proteinverbindungen auszuforschen, begeistert gewesen!

    Leonardo da Vinci beflügelte mit seinen zahlreichen Sezierungen und anatomischen Sitzungen regelrecht den Handel mit menschlichen Körperteilen. Die Nachfrage nach menschlichen Körpern überstieg seitdem immer das Angebot: Seit Leonardo können die lebenden Menschen von den Toten gar nicht genug bekommen – und noch weniger von den Fast-Toten, die dann als Hirntote die entsprechenden Rohstoffe liefern. Die diversen Organskandale an deutschen Spitälern sprechen hier ja eine deutliche Sprache.
    Der menschliche Körper war also sehr früh schon sehr viel wert. Und zwar nicht einfach als Arbeitskraft, wie dies Karl Marx kritisierte, sondern viel wert dank Fleisch und Blut. Interessant, nicht? Und wir westlichen Menschen meinen doch tatsächlich, bei uns hätte es Kannibalismus nie gegeben. Richtig! Hat es auch nicht. Aber die Umwertung von Menschenfleisch zur lebendigen Münze ist auch in unseren Breitengraden historisch bekannt.

    Schon bei den alten Eidgenossen ließ sich mit dem menschlichen Körper gut Geld verdienen. Der erste Sohn übernahm den Bauernhof, der zweite wurde Priester und der dritte, vierte, fünfte, sechste, siebte Sohn wurde in den Söldnerdienst geschickt. Dort schlug er irgendeinem anderen Söldner im fernen Frankreich, Deutschland oder Italien den Kopf ein oder kriegte selbst den Kopf ab. Als Leiche brachte er aber der Familie wohlerwarteten Verdienst: entweder als Fett- oder als Seifenlieferant.
    Finden Sie das abgeschmackt?
    Ich auch.
    Deshalb höre ich auch bald auf, vom Warenlager der menschlichen Körper zu berichten, sondern wende mich lieber den diversen Schönheitsdebatten zu. Andererseits muss ich hier betonen: Der Mensch als Handelsware hat eben sehr viel mit der Frau als Identifikation von Schönheit zu tun. Wer nur von Schönheit quasseln, aber die Kehrseite der Medaille, nämlich die Hässlichkeit der dahinterliegenden Menschenbilder nicht sehen will, sollte eh den Mund halten. Denn bei der Jungerhaltung von Frauen geht es ja in erster Linie darum, dass nicht die Person im Vordergrund steht, sondern der Körper. Die selbstverständlich gewordene Gleichsetzung von Mensch und Materie sollte erschrecken und viel häufiger als bisher demaskiert, entblößt und ihr laut widersprochen werden.

    Doch dies ist seit der Entdeckung des Teleskops immer seltener geworden.

    Zählen statt Denken ist »in«. Ich warte nur auf den Moment, wo alle philosophischen Werke zwecks Vermessung der Wortzahl und Ranking einem

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