Die Vermessung der Frau
sie Geschlechterstereotypen betonen statt diese auch durch Vielfalt dokumentieren.« Stämpfli, Politik, S. 44.
18) »Philosophisches Quartett«: Im deutschsprachigen Raum reden Frauen zu Frauenthemen, Männer zu allem.
19) »Boderline-Störung«: Manfred Lütz teilt Patienten mit Borderline zwischen Neurose und Psychose ein. Borderline-Patienten verlieren niemals völligihre Ich-Stabilität, werden also nie wirklich psychotisch. Aber dieses Ich ist doch zutiefst verunsichert. Borderline-Patienten leiden darunter, immer sehr intensive, aber höchst wechselhafte Beziehungen zu unterhalten. Sie werden von ihren eigenen Emotionen steil nach oben und tief nach unten gerissen und stehen unter dauernder Anspannung. Ihr Selbstwertgefühl ist mitunter am Boden. Immer wieder werden sie von Suizidimpulsen heimgesucht. Sie haben kaum ein Gefühl für sich selbst und fügen sich schmerzhafte Schnitte zu, um sich wenigstens irgendwie zu spüren und die unerträglichen Spannungen zu lösen. Der Umgang mit Borderline-Patienten ist anstrengend. Sie wirken nicht nur selbst in ihren Emotionen bisweilen gespalten, sie spalten auch ihre Umgebung.« Lütz, S. 172. Borderline ist für mich die Klassikerin unter den postmodernen Frauenkrankheiten. Die Störung beschreibt exakt, was mit den Frauen in Medien, Politik und Wissenschaft passiert. Es sind die tiefliegenden philosophisch-psychischen Ursachen, die hier erforscht werden müssten. Doch Borderline wird mit Chemie statt – radikal gesagt – mit Revolutionen des Frauenbildes behandelt. Borderline ist die gesellschaftliche Störung, die sich in den weiblichen Körperverlagert hat.
DIE FRAU: EIN JAHRGANGS-, KILO- UND ZENTIMETERVERHÄLTNIS
1) »Geburts- und Todesanzeigen«: Die Vermessung der menschlichen Körper entspricht der Kapitalisierung aller menschlicher Zusammenhänge.
2) »Sexualität«: Die Entkoppelung von Sexualität und Fortpflanzung brachte den Frauen zunächst eine große Befreiung. Sie ist gleichzeitig auch große Last. Sex ohne Gefühle wird zum Muss – auch für Frauen. Sex ist kein Geheimnis, sondern im Spiegel, im Bild, im Porno vermessen, ausgeleuchtet, vorgezeigt. Da Sex nicht mehr zur Zeugung führt, müssen Frauen allzeit bereit sein.
3) »Reproduktionstechnologie«: Die Pille ist keine Befreiung, sondern das neue, effiziente Herrschaftsinstrument über den weiblichen Körper. Frauen sind fortan Sexual- und Gebärapparate. Der Erfinder der Pille, Carl Djerassi,
ein sehr sympathisch daherkommender moderne Mephisto beschreibt seine Vision dem österreichischen Fernsehen folgendermaßen: »Die Zukunft wird so sein: Sterilisierung im Alter von 20 Jahren oder wann immer wir anfangen wollen mit sexuellem Verkehr, und vorher gehen Sie hin, um Ihre Gameten, also die Eier und die Spermien einzufrieren. Diese kommen dann auf ein Bankkonto. Ihre Gameten, also Ihre Eier und Ihre Spermien. Und wenn Sie dann Ihr Kind haben wollen, das erwünschte Kind, dann gehen Sie zur Bank, zu Ihrem Konto, mit IBAN und Ihrer Nummer, und sagen, bitte Konto Nr. soundso, ich möchte mein Ei heute haben, und dann haben Sie eine künstliche Befruchtung.« Nach Christina von Braun, S. 422-412.
4) »Jahrgangs-, Kilo- und Zentimeterverhältnis«: Die Materie Mensch ist mittlerweile der Goldstandard der Gegenwart. Christina von Braun analysiert: »Das Geld sucht seine ›lebendige Beglaubigung‹ nicht nur in der käuflichen Sexualität, sondern auch in käuflichen Kindern. Dafür bedarf es einer Fortpflanzung, die dem Vermehrungstrieb des Geldes entspricht. Mit der Pille, so hat Djerassi deutlich gemacht, wurde nicht nur der Sexualtrieb, sondern auch die Reproduktionsfähigkeit des Geldes ›freigesetzt‹.« Braun, Geld, S. 413.
5) »Gesundheitsnorm und objektiv vermessbare Gesundheit«: Absolute Wahrheiten, die sich über das Urteil von Menschen ansiedeln, sind unmenschlich in dem Sinne, dass Menschen diese Wahrheiten nicht mehr auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen können.
ROSA BABIES, BARBIE UND NUTTENWIRTSCHAFT
1) »Topmodel-Wettbewerbe«: Ich nenne die Miss-Wahlen das, was sie im deutschen Sprachgebrauch sind. Miss-Wahlen.
2) »Pinkifizierung«: Carolin Wiedemann in der FAZ, 26.11.2012. Die Geschlechterforscherin Stevie Schmiedel meint zum pinkfarbenen Überraschungsei und der »Diktatur von Prinzessin Lillifee«: »Rosa macht Mädchen dümmer«. Prinzessin Lillifee ist »niedlich, spindeldürr, pudert sich die Nase und hat einen befliegbaren Kleiderschrank. Da wird eine Prägung auf
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