Die Vermessung der Frau
gesellschaftlichen und politischen Relevanz beraubt wird.« S. 298.
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»Dass ausgerechnet Frauen Size Zero nachleben:« Die seit der Aufklärung konstitutive Zweiteilung »Mann Staat – Frau Natur« passt in die Überlegungen, die der Soziologe Norbert Elias über den Prozess der Zivilisation angestellt hat. Er beschäftigt sich mit dem Wandel in Affekt- und Kontrollstrukturen von Menschen und bringt die langfristigen gesamtgesellschaftlichen Wandlungen mit den individuellen Lebensweisen in Zusammenhang. Elias zeigt, dass das Ausmaß und das tatsächliche Tempo des Fortschritts in Wissenschaft und Technik seit dem 19. Jahrhundert das Tempo und das Ausmaß der vorangegangenen Jahrhunderte wesentlich übertroffen hat. »An die Stelle des Bildes vom Menschen als einer ›geschlossenen‹ Persönlichkeit (...) – tritt dann das Bild des Menschen als einer ›offenen Persönlichkeit‹, die im Verhältnis zu anderen Menschen einen höheren oder geringeren Grad von relativer Autonomie, aber niemals absolute und totale Autonomie besitzt, die in der Tat von Grund auf zeit ihres Lebens auf andere Menschen ausgerichtet und angewiesen, von anderen Menschen abhängig ist. Das Geflecht der Angewiesenheit von Menschen aufeinander, ihre Interdependenzen, sind das, was sie aneinander bindet.« (Einleitung) Auf über 700 Seiten beschreibt nun Norbert Elias den Wandel von der Sinnlichkeit hin zur Abstraktion. Früher aßen alle, von König und Königin bis zum Bauern und der Bauersfrau, mit den Händen. Fleisch war sichtbar in Form des Tieres, das gebraten auf dem Tisch stand, man bediente sich mit einem Messer, die Finger wurden fettig, kurz, es gab eine direkte Verbindung von Natur und Kultur. Das Verschwinden von Fleisch als sichtbares Tier ist nach Elias ein entscheidendes Kennzeichen im Prozess der Zivilisation. Norbert Elias beschreibt spannend jeden Bereich des menschlichen Zusammenseins, der durch die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen mitbetroffen war, ja sich eigentlich mit diesen entwickelte. Das Verschwinden der Körperlichkeit des Weiblichen fällt mit dem Verschwinden der sichtbaren und direkt erfahrbaren »Natur« in hochzivilisierten Gesellschaften zusammen. Es wäre spannend analog zu Norbert Elias’ Prozess der Zivilisation die »soziogenetischen und psychogenetischen Untersuchungen« der Entkörperlichungstendenzen zunächst bei Frauen und mittlerweile auch bei den Männern nachzuzeichnen. Norbert
Elias plädiert zum Schluss seiner umfassenden Studie dafür, dass Politik, Wirtschaft und Kultur dahingehend arbeiten sollten, dass der Mensch in einem »Gleichgewicht oder gar in einem Einklang zwischen seinen gesellschaftlichen Aufgaben, zwischen den gesamten Anforderungen seiner sozialen Existenz auf der einen Seite und seinen persönlichen Neigungen und Bedürfnisse auf der anderen« leben dürfen sollte.
MEIN KÖRPER – MEINE RELIGION
»Gesundheitsreligionen«: Menschen sind soziale Wesen. Sie sind auf das gegenseitige Wahrnehmen und Anerkennung angewiesen. In anonymisierten Massengesellschaften, die immer weniger öffentliche Plätze und Räume der Allgemeinheit bieten, in welchen alle gemeinschaftlichen Bereiche privatisiert werden (in den USA gibt es kein öffentliches Schwimmbad mehr), nehmen die persönlichen Verfeinerungstechniken sowie der Markt für Singles, Fitness, Sex, Bildung etc. zu. Der Verlust einer gemeinschaftlichen Welt führt vor allem bei Frauen zu ausgeklügelten, kostspieligen- und zeitaufwändigen Gefallstrategien. In ihrer schon fast psychopathologischen Suche nach Wahrnehmung und Anerkennung als Frau gehen Frauen unendlich weit. Sie machen sich dadurch auch zu Mittäterinnen in einem durch und durch frauenfeindlichen System. Sie strippen, lapdancen und begleiten ihre Freunde, Kollegen oder Ehemänner in einschlägige Clubs, gröhlen lauter als alle anwesenden Jungs und schleppen mit Vorliebe auch Freundinnen mit. In der amerikanischen Look-at-me-Culture ist den Frauen offenbar jedes Mittel recht, ihre Sexualität und damit sich selber anzubieten: Dazu gehören mehr und mehr der Kindermösen-Look inklusive operierter Scham.
TRAGEN MEINE HITZEWALLUNGEN ZUR KLIMAERWÄRMUNG BEI?
Die Hitzewallungen stehen in der Tradition der Zurechtschneidung des weiblichen Körpers, selbst wenn sie als medizinische Phänomene erscheinen. In ein paar Jahrzehnten könnten aber auch die rasierte Scham, der gebleachte Anus, die verkleinerten Schamlippen als »natürlich« und
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