Die Vermessung des Körpers
Gegner der Evolutionstheorie mit solchen komplexen Strukturen haben, liegt jedoch ganz woanders: Kreationisten und anderen will es einfach nicht in ihren Kopf, dass die Evolution nicht gesteuert wird. In der Frage »Wozu solldenn ein halb ausgebildeter Flügel gut sein?« steckt die implizite Unterstellung, die Evolution verfolge einen Zweck und arbeite auf einen Flügel hin. Doch die Evolution ist anders – sie ist vollkommen beliebig und trifft im Prozess lediglich eine Auslese nützlicher Dinge (die zumindest nicht hinderlich sind). Ohne den Gedanken eines übergeordneten Leitprinzips stellen halb ausgebildete Merkmale daher kein besonders großes Problem dar.
Die Wissenschaft kann stets widerlegt werden
Das Problem mit Kreationismus und intelligenter Schöpfung, also den Standpunkten, die in der Regel gegen die Evolution ins Feld geführt werden, um zu erklären, warum Ihr Körper – und alle anderen Facetten der Natur – in seiner heutigen Form existiert, ist, dass sie nicht wissenschaftlich sind. Denken Sie daran, dass in der Wissenschaft eine Theorie anhand bestehender Erkenntnisse erprobt wird. Jene aber, die an einen äußeren Schöpfer glauben, behaupten, es gebe keinen zugänglichen Beweis für die Existenz des Schöpfers – dies sei etwas, woran man einfach glauben müsse.
Die meisten Wissenschaftler sind der Ansicht, dass eine wissenschaftliche Theorie »falsifizierbar« sein müsse. Das bedeutet, dass es einen Mechanismus geben muss, mit dem die Theorie widerlegt werden kann. Eine frühe wissenschaftliche Theorie besagte, dass alles mit einem Gewicht versuche, zum Mittelpunkt des Universums zu gelangen, den man zu jener Zeit im Erdmittelpunkt vermutete.
Es war falsch, aber es war wissenschaftlich. Als durch Beobachtung des Sonnensystems und des Universums immer mehr Daten zur Verfügung standen, wurde klar, dass die Erde nicht der Mittelpunkt von allem war. Die Theorie war widerlegt. Ebenso könnten auch die Evolutions-, die Quanten- und die Relativitätstheorie allesamt durch entsprechende Beobachtungen widerlegt werden.
Ich will damit nicht sagen, dass sich Wissenschaftler leichten Herzens von ihrer Theorie verabschiedeten. Viele beharren lange Zeit darauf, bis eine überwältigende Beweislage für das Gegenteil sie dazu zwingt, ihren Irrtum einzugestehen. Der Glaube an einen überirdischen Schöpfer ist jedoch anders – er lässt sich nicht widerlegen. Man kann zeigen, dass es ihn nicht notwendigerweise geben muss, aber man kann nicht beweisen, dass dieser Glaube falsch ist. Ich muss das betonen, weil allein die Unmöglichkeit einer Widerlegung den Glauben an einen Schöpfer noch nicht falsch macht – aber in der Welt der Wissenschaft hat er genau darum nichts verloren. Intelligente Schöpfung und Kreationismus sind keine Wissenschaften und sollten auch nicht als solche gelehrt werden.
Selbst einige wissenschaftliche Theorien kränkeln an diesem Problem. Hunderte Wissenschaftler haben ihr gesamtes Arbeitsleben der sogenannten Stringtheorie gewidmet, mit der die Struktur sämtlicher Teilchen erklärt werden soll, aus denen das Universum besteht. Niemand hat bisher jedoch einen Weg gefunden, diese Theorie (oder auch nur einen bestimmten Teil davon) zu überprüfen oder sie zu widerlegen. Manche behaupten, dies bedeute, dass auch die Stringtheorie keine Wissenschaft sei. Es handelt sich um Mathematik, die eine Verbindung zur realen Welt haben mag oder nicht, aber ohne die Möglichkeit, sie zu überprüfen oder möglicherweise zu widerlegen, bleibt die Stringtheorie in der Welt der Wissenschaft ein Bürger zweiter Klasse.
Staunen Sie!
Mit der paradoxen Einfachheit der Evolution und ihrer unglaublichen Macht, Organismen von einer Spezies zur anderen zu verändern, ohne dass sich solch eine Veränderung von Generation zu Generation feststellen lässt, kommen wir zum Ende unserer wissenschaftlichen Forschungsreise, auf der uns Ihr Körper als mobiles Labor gedient hat.
Ich hoffe, dass Sie nie wieder in einen Spiegel blicken und dabei nur denken, »Ich muss dringend mehr Sport treiben«. Nehmen Sie sich jedes Mal, wenn Sie dieses bemerkenswerte Gebilde sehen, einen Augenblick Zeit und staunen Sie. Damit das, was Sie sehen, funktioniert, bedarf es der gesamten Wissenschaft.
Ihr Körper ist ein Fenster zum Universum.
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ANHANG
Für alle, die mehr wissen wollen
Im Rahmen dieses Buches ist es unvermeidbar, dass diejenigen Wissenschaftsbereiche, die bei der Erforschung des
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