Die Vermessung des Körpers
Teilchen sind identisch. Erst wenn man eines davon betrachtet und es zum Beispiel den Wert »auf« annimmt, wird der Wert des anderen sofort »ab«, egal, wie weit beide Teilchen auch voneinander entfernt sind. Somit hat eine Botschaft ohne Verzögerung das Universum durchquert. Und es ist möglich, zu überprüfen, ob die Teilchen die Information bereits in sich tragen oder sie erst bilden, wenn man sie betrachtet – es gibt also keine verborgenen Werte.
Könnte man einen solchen Mechanismus zur Übermittlung einer Botschaft nutzen, könnte diese sofort jeden beliebigen Punkt im Universum erreichen. In der Praxis jedoch gibt es keine Möglichkeit, brauchbare Informationen auf diese Weise zu senden. Die Ergebnisse, die über diese gespenstische Verbindung gesendet werden, sind beliebig, können also nichts Bedeutsames transportieren. Man kann sich nicht aussuchen, ob der Spin »auf« oder »ab« beträgt. Das bleibt dem Zufall überlassen.
Trotzdem lässt sich die Art, wie bei der Quantenverschränkung Informationen übertragen werden, für ein paar bemerkenswerte Anwendungen nutzen: von sicheren Datencodierungssystemen über Computer, die Aufgaben bewältigen können, für deren Lösung ein herkömmlicher Rechner ein Weltallzeitalter benötigen würde, bis hin zur Quantenteleportation – eine Miniaturausgabe des Star-Trek -Transportmittels, die es ermöglicht, an einem entfernten Punkt eine exakte Kopie eines oder mehrerer Partikel zu erzeugen.
Eine Welt aus Quantenbausteinen
Das vielleicht ultimative Paradoxon der Quantentheorie ist die Existenz des menschlichen Körpers. Wie bereits erwähnt, besteht jede Faser davon aus Quantenteilchen – jedes Ihrer Atome ist eine Ansammlung von Quantenteilchen. Ihre Sinne arbeiten mit elektrischen und chemischen Impulsen, also Prozessen, in welche auch Quantenteilchen eingebunden sind. Wenn Sie das Licht von Alnilam sehen, handelt es sich um Quantenteilchen, die den Weltraum durchquert haben. Der Vorgang, der es dem Auge ermöglicht, sie zu erkennen, ist ein Quantenprozess.
Der menschliche Körper ist eine wahre Quantenmaschine, und doch erleben Sie eine »normale« Welt, in der scheinbar nicht Quanten und Wahrscheinlichkeiten regieren, wo die Dinge nicht gleichzeitig an mehr als einem Ort sein können. Ich wünschte, ich hätte eine Erklärung dafür parat – habe ich aber nicht. Niemand, nicht einmal die einfallsreichsten Physikprofessoren verstehen, warum die Quantenbausteine der Realität sich auf ihre bestimmte Weise verhalten,unsere alltägliche Erfahrung hingegen eine vollkommen andere ist. Im Augenblick können wir nur mit den Achseln zucken und sagen: »So ist das eben.«
Eine galaktische Höchstleistung
Wenden wir uns wieder dem Nachthimmel zu. Wenn Sie sich in der nördlichen Hemisphäre aufhalten, gibt es etwas, das es sich auf unserer Forschungsreise durchs Universum und den menschlichen Körper genauer anzuschauen lohnt. Eines der am besten erkennbaren Sternenbilder ist Kassiopeia. Wiederum ist hier die Mustererkennung am Werk – die fünf Hauptsterne der Konstellation bilden den Buchstaben »W«, den man kaum übersehen kann (wenn er bisweilen auch mehr wie ein »M« aussieht).
Doch interessiert uns Kassiopeia selbst nicht. Stellen wir uns Kassiopeia als »W« vor und folgen wir der Richtung, die das zweite »V« in diesem »W« anzeigt, etwa so weit, wie die gesamte Spannweite von Kassiopeia beträgt. Dann erreichen wir ein weitaus weniger deutlich erkennbares Sternbild namens Andromeda. Um den Punkt, an dem wir angelangt sind, befindet sich ein kleiner verschwommener Lichtfleck, der mit bloßem Auge gerade noch erkennbar ist. Betrachtet man ihn durch ein gutes Fernglas, wird deutlich, dass es sich um keinen gewöhnlichen Stern handelt.
Wenn Sie diesen kleinen Fleck sehen, dann sehen Sie so weit, wie es für einen Menschen ohne Hilfsmittel möglich ist. Ihr Auge vollbringt eine gewaltige Leistung. Der undeutliche Schmierfleck ist die Galaxie Andromeda, die unserer Milchstraße am nächsten gelegene große Galaxie. Nah ist in intergalaktischen Begriffen freilich relativ: Die Galaxie Andromeda ist 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt. Als die Photonen des Lichts, das auf Ihr Auge trifft, ihre Reise begannen, gab es noch keine Menschen – wir mussten erst entstehen. Man blickt in eine beinahe unvorstellbare Ferne.
(12) Position der Galaxie Andromeda
Ihre Augen sind ausgezeichnete Lichtdetektoren. Es braucht nur eine Handvoll Photonen, um in Ihrem Gehirn
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