Die Vermessung des Körpers
Jahrhundert zurückreicht, gehört jedoch ins Reich der Fantasie. Es steckt nicht mehr Wahrheit darin als in der Phrenologie, jener viktorianischen Vorstellung, dass sich die Geistesstärke in der Größe der Erhebungen auf der Schädeldecke widerspiegelt. Tatsächlich kann man mit jedem Bereich der Zunge alle Geschmacksrichtungen wahrnehmen.
Auf der Zunge befinden sich zwischen 2000 und 6000 Geschmacksknospen. Jede ist eine kleine Delle in der Oberfläche, über welche dieflüssige Nahrung oder im Speichel gelöste feste Nahrung in Kontakt mit den Geschmacksrezeptoren gelangt. Diese erzeugen Signale, wenn bestimmte Chemikalien vorhanden sind. Salzigkeit zum Beispiel ist in erster Linie das Erkennen von Natriumionen, saurer Geschmack hingegen entsteht, wenn die Rezeptoren mit einer Säure in Kontakt kommen.
Das Mineral im Küchenregal
Salz ist ein sehr ungewöhnlicher Bestandteil unserer Ernährung. Wenn Sie in Ihrem Küchenregal nachsehen, ist Salz wahrscheinlich die einzige Substanz, die Sie regelmäßig zu sich nehmen, die nicht von einem Lebewesen stammt – es ist ein Mineral. Daneben ist es fester Bestandteil unseres Vokabulars: Man kann jemandem gründlich die Suppe versalzen oder, wenn man ganz gemein ist, Salz auf die Wunden des anderen streuen. Vielleicht ist man aber auch das Salz der Erde oder hat mit jemandem einen Scheffel Salz gegessen?
Salz, die einfache Verbindung Natriumchlorid, kombiniert zwei dramatische Elemente. Natrium ist ein Metall, das bei Kontakt mit Wasser praktisch explodiert; Chlor hingegen ist ein giftiges grünes Gas, das erste großflächig verwendete chemische Kampfmittel, das im Ersten Weltkrieg verheerende Schäden anrichtete. Dass die beiden, wenn sie zusammenfinden, diese stabilen weißen Kristalle bilden, ist daher einigermaßen erstaunlich.
Alle Tiere benötigen Salz in kleinen Mengen (wenngleich das noch nicht erklärt, warum es eine der fünf Hauptgeschmacksrichtungen ist). Es fungiert als Elektrolyt – als Elektrizitätsträger in einer Flüssigkeit – im Körper. Das bedeutet, dass es schon immer Teil unserer Ernährung war, wenngleich die Möglichkeit besteht, dass in grauer Vorzeit alles aufgenommene Salz in anderen Substanzen, etwa in Tierblut, gelöst war.
Der eine oder andere hat vielleicht schon einmal gehört, dass römische Soldaten ihren Sold in Salz erhielten. Das ist nicht ganz richtig. Zwar leitet sich von »Salz« (im Lateinischen sal ) unser heutiges Wort »Salär« ab, doch war das salarium der Soldaten eine gewöhnliche Zahlung in Geld, die für den Salzerwerb bestimmt war. Sie erhieltenalso keinen Brocken Steinsalz als Sold, so verführerisch dieses Bild auch sein mag.
Salz besitzt einen starken Eigengeschmack, und nur wenige Erfahrungen in unserem Leben sind salziger als ein Mund voll Meerwasser. Doch seltsamerweise enthält Meerwasser gar kein Salz! Meerwasser enthält sowohl Natriumionen aus aufgelöstem Gesteinsmaterial (mehr über Ionen siehe S. 46) als auch Chlorionen, die hauptsächlich aus Unterwasservulkanen und ähnlichen Öffnungen stammen. Doch die beiden Ionen kommen im Wasser vollkommen unabhängig voneinander vor. Erst wenn Meerwasser verdunstet, bildet sich Natriumchlorid – Salz. Im Prinzip würde Wasser aber auch dann salzig schmecken, wenn es nur Natriumionen enthielte (oder Ionen des ähnliches Metalls Kalium).
Herumschnüffeln
Wie der Geschmack hat auch der Geruchssinn im Alltag einen geringeren Wert als die anderen Sinne. Freilich ist es nützlich, Rauch zu riechen oder zu merken, wenn irgendetwas im Haus vor sich hin gammelt. Wie wir gesehen haben, ist der Geruchssinn auch ein wichtiger Quell für alle Gaumenfreuden. Doch bleibt das Riechen ein begrenzt nützlicher Sinn, wenigstens für den Menschen. Obwohl man etwas aus gewisser Entfernung riechen kann, ist es doch sehr schwer zu sagen, aus welcher Richtung ein Geruch kommt. Obendrein ist dieser Sinn häufig durch Erkältungen und andere Infektionen eingeschränkt, die unsere Nase angreifen.
Unser Geruchssinn ist jedoch nicht nur in der Art seines Gebrauchs eng mit dem Schmecken verwandt, sondern auch in seiner Funktionsweise. Riechen ist ein Prozess, bei dem durch spezielle Detektoren ganz hinten in der Nase – und natürlich im Kopf – verschiedene chemische Substanzen erkannt werden. In der Luft enthaltene Substanzen lösen sich in dem Schleim über den Rezeptoren und reagieren mit diesen, wodurch Signale ausgelöst und ans Gehirn gesendet werden.
Im Tierreich ist
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