Die Vermessung des Körpers
Fühlen sind in erster Linie mechanische Vorgänge. Sensoren in der Haut reagieren auf Druck oder eine Deformation der Hautoberfläche. Der Tastsinn unterscheidet sich von den vier anderen Hauptsinnen insofern, als er keine eingehenden Reize wie Licht, Schall oder chemische Substanzen erkennt, sondern Veränderungen am Körper selbst überwacht. Die anderen Sinne sind auf die Umgebung gerichtet, der Tastsinn aber hat den eigenen Körper im Blick.
Mit der Haut sehen
Wo wir nun also über diese fünf Sinne verfügen, wozu brauchen wir dann noch mehr? Hierzu ein einfaches Beispiel: Halten Sie Ihre Hand einige Zentimeter von einem angeschalteten Bügeleisen entfernt. Indem Sie es beispielsweise ansehen, können Ihnen Ihre fünf Sinne nichts darüber sagen, ob Sie sich daran verbrennen können. Trotzdem können Sie auf diese Entfernung spüren, dass das Bügeleisen heiß ist, und werden es nicht berühren, wenn Sie vernünftig sind. Warum aber können Sie die Hitze des Bügeleisens auf diese Entfernung spüren? Weil Ihre Haut Sensoren besitzt, die eine unsichtbare Form des Lichts erkennen, das Infrarot.
Erstaunlicherweise ist nicht allzu viel darüber bekannt, wie genau man Temperatur wahrnimmt. Allerdings glaubt man, dass es für die Wahrnehmung von Heiß und Kalt verschiedene Mechanismen gibt, und eventuell auch separate Mechanismen für die Temperatur insgesamt (ist ein Objekt heiß oder halt?) und die direkte Wirkung von Infrarot auf die Haut. Auf jeden Fall gibt es eine Art Rezeptor in der Haut, der es uns ermöglicht, Hitzeeinwirkung zu beurteilen, wenn wir unsetwas Heißem nähern. Die Einzelheiten müssen aber noch erforscht werden.
Schmerzempfinden
Mit Chili gewürzte Nahrungsmittel bezeichnen wir als »scharf« – im Englischen hot , also heiß. Diese Erfahrung basiert aber nicht auf demselben Sinn, der die Hitze eines Bügeleisens wahrnimmt. Auch der Geschmackssinn ist hier nicht im Spiel. Der Geschmack einer Chilischote ist dem einer Paprika nicht unähnlich – jenen milden roten, gelben oder grünen Paprika, die man gerne in den Salat schneidet. Wenn man hingegen in eine Chilischote beißt, wird der Geschmack von einer ganz anderen Sinneswahrnehmung überlagert: dem Schmerzempfinden.
Obwohl viele Leute gerne scharf essen, ist die Empfindung, die diesen »Geschmack« auslöst, tatsächlich Schmerz. Chili enthält Capsaicin und andere Substanzen, die sich an die Schmerzrezeptoren im Mund heften. Bei Kontakt entfalten sie in empfindlichen Körperzonen wie den Augen eine ganz ähnliche Wirkung, daher funktioniert auch Pfefferspray so gut, das ebenfalls Capsaicin enthält. Wenn man von Straußen angegriffen wird, nutzt einem ein Pfefferspray übrigens herzlich wenig – Vögel haben keinen Rezeptor für Capsaicin, also wirkt es bei ihnen nicht.
Eine Chilischote ist nur eine von vielen Möglichkeiten, wie man Schmerzen hervorrufen kann, und in diesem Zusammenhang noch eine relativ harmlose. Schmerz ist ein komplexer Begriff, der eigentlich mehrere verschiedene Sinne mit einbezieht. Man empfindet Schmerz über chemische Sensoren, wie etwa jene, die Capsaicin erkennen, aber auch durch Hitze- und mechanische Sensoren, wenn der wahrgenommene Reiz ein bestimmtes Maß übersteigt. Ein bisschen Wärme ist angenehm, aber oberhalb eines gewissen Punktes verbrennt man sich – die Wärme wird zum Schmerz.
Gleichermaßen empfindet man einen schwachen mechanischen Stimulus auf den Körper lediglich als Berührung. Wird diese aber zu stark – zum Beispiel wenn sich etwas in den Körper bohrt und das Fleisch zerstört –, wird daraus Schmerz. Wie bei allen Sinnen erzeugt ein Stimulus beim Rezeptor ein Signal an das Nervensystem – das Internet des Körpers. Dieses Signal wird ans Gehirn weitergeleitet, und erst dort wird das ursprünglich mechanische oder chemische und dann elektrische Signal zur Sinneswahrnehmung.
Auf diese Weise funktionieren Schmerztabletten – sie gelangen nicht bis in den Bereich des Körpers, wo der Schmerz empfunden wird, und stellen dort irgendetwas mit dem beschädigten Gewebe an. Vielmehr unterbrechen sie einen Vorgang im Gehirn und hindern so das Schmerzsignal daran, durchzukommen.
Schmerz besitzt eine wichtige Funktion, doch ist seine Funktionsweise ein Beispiel für den nicht ganz perfekten »Entwurf« des menschlichen Körpers. Der Schmerz könnte viel besser sein, als er ist. Natürlich müssen wir auf Schmerzursachen aufmerksam gemacht werden, doch steht die Sinnesempfindung häufig
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