Die Vermessung des Körpers
der Geruchssinn meist wesentlich wichtiger als für uns. Um das festzustellen, muss man nur einen Hund beobachten, der im ParkGassi geführt wird. Natürlich benutzt auch der Hund seine Augen und Ohren, doch seine Nase ist konstant in Aktion. Sie ist wesentlich empfindlicher als unsere und kann noch Gerüche erkennen, die über eine Million Mal stärker verdünnt sind als alles, was wir erschnüffeln können. Für einen Hund ist die Geruchslandschaft des Parks mindestens genauso wichtig wie alles, was er sehen kann.
Den Partner erriechen
Der Geruchssinn wird jedoch nicht nur gebraucht, um Bedrohungen und Beute zu erkennen. Er kann auch ein Mittel zur Kommunikation mit anderen Mitgliedern derselben Spezies sein. Wenn Hunde draußen sind, verbringen sie im Grunde mehr Zeit damit, den Geruch anderer Hunde aufzunehmen, als mit allem anderen. Die bekanntesten (aber nicht die einzigen) Substanzen bei dieser kommunikativen Schnüffelei sind Hormone namens Pheromone. Insekten wie Bienen oder Termiten, die sich kollektiv verhalten, als wären sie ein größerer Organismus, verfügen über eine beachtliche Hausapotheke von Pheromonen, mit denen sie Signale aussenden und das gemeinsame Verhalten koordinieren können.
Auch Menschen produzieren Pheromone, wenngleich heftig darüber diskutiert wird, inwieweit der Geruch unsere Meinung über das andere Geschlecht beeinflusst. In einem bekannten Experiment wurde via Hormonproduktion und Geruchssinn untersucht, wie die Unterschiede in einem bestimmten Gen unsere Partnerwahl verändern können. Es wurde festgestellt, dass zahlreiche Tiere Paarungspartner erschnüffelten, die andere Varianten einer bestimmten Genomgruppe besaßen – das HLA-System, das für die Funktion des Immunsystems zentrale Bedeutung besitzt.
Daraus zog man den Schluss, dass es für die Nachkommen von Vorteil sei, unterschiedliche HLA-Varianten zu besitzen, weil ihnen dies bessere Chancen bei der Infektionsabwehr verschaffe. Wenn Tiere so etwas taten, könnte es dann auch die menschliche Wahl des Sexualpartners beeinflussen? Im Rahmen des im Jahr 1995 durchgeführten Experiments wurde eine Gruppe von Frauen gebeten, anT-Shirts zu riechen, von denen jedes zwei Nächte lang von einem anderen Mann getragen worden war. Nachdem man die Gene untersucht hatte, stellte sich heraus, dass die Frauen in der Tat eine allein auf dem Geruchssinn basierende Vorliebe an den Tag legten, und zwar für jeweils andere HLA-Gene als ihre eigenen.
Unser Geruchssinn beeinflusst also unsere Partnerwahl – allerdings muss man betonen, dass dabei noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Zum Beispiel haben wir unterschiedliche Vorlieben, was die Gesichtsform betrifft. Im Gegensatz zu unserem Geruchssinn scheinen wir dabei Gesichtsformen potenzieller Partner zu wählen, deren HLA-Gene unseren eigenen ähnlich sind. Wir verlassen uns also keineswegs auf einen einzelnen genetischen Impuls, der durch den Geruch vermittelt wird, doch scheint der Geruch die Attraktivität eines Menschen durchaus zu beeinflussen.
À la recherche de l’odeur perdue
Man hört oft, der Geruch sei starker als alle anderen Sinne, wenn es darum geht, detaillierte Erinnerungen wachzurufen. Das erweist sich als Mythos – es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass der Geruch Erinnerungen besser zutage fördert als andere Sinne. Es scheint jedoch, dass ein erstmalig mit einem bestimmten Objekt oder Ereignis verbundener Geruch eine wesentlich stärkere Hirnaktivität in Gang setzt als bei späteren Gelegenheiten. Das bedeutet, dass wir uns sehr gut daran erinnern können, wo und wie wir einen Geruch zum ersten Mal wahrgenommen haben.
Bei anderen Sinnen ist das nicht der Fall, was bedeuten könnte, dass wir mit frühen (und prägenden) Erinnerungen eher Gerüche als andere Sinneswahrnehmungen verbinden. Wenn sich Marcel Proust in À la recherche du temps perdu lang und breit über Kindheitserinnerungen auslässt, die vom Geschmack einer in Tee getauchten Madeleine ausgelöst werden, hat er also den falschen Sinn als Auslöser gewählt.
Der Sinn, der überall ist
Wie die anderen drei Sinne, mit denen wir uns bislang beschäftigt haben, konzentriert sich auch der Geruchssinn auf eine Ansammlung von Rezeptoren in einem kleinen Bereich des Körpers. Der fünfte Sinn hingegen, der Tastsinn, ist wesentlich diffuser. In bestimmten Körperzonen ist unser Tastsinn zwar weiter entwickelt als in anderen, doch ist unsere gesamte Haut mit Tastrezeptoren ausgestattet.
Tasten und
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