Die Vermessung des Universums: Wie die Physik von morgen den letzten Geheimnissen auf der Spur ist (German Edition)
und daher die elektromagnetische Kraft nicht direkt spüren, unterliegen die Gluonen selbst der starken Kraft. Während also Photonen Kräfte über gewaltige Entfernungen übertragen, so dass wir ein Fernsehgerät einschalten und ein Signal erhalten können, das viele Kilometer entfernt erzeugt wurde, können Gluonen ähnlich wie Quarks keine weiten Strecken zurücklegen, bevor sie miteinander wechselwirken. Gluonen binden Objekte auf kleinen Skalen, die in ihrer Größe mit einem Proton vergleichbar sind.
Wenn wir eine Grobansicht des Protons betrachten und uns bloß auf diejenigen Bestandteile konzentrieren, die die Ladung des Protons tragen, würden wir sagen, dass ein Proton in erster Linie aus drei Quarks besteht. Das Proton enthält jedoch viel mehr als die drei Valenz -Quarks – die beiden Up-Quarks und das einzelne Down-Quark –, die zu seiner Ladung beitragen. Außer den drei Quarks, die für die Ladung eines Protons verantwortlich sind, gibt es innerhalb eines Protons einen See virtueller Teilchen – d.h. Quark/Antiquark-Paare und Gluonen. Je genauer wir ein Proton untersuchen, umso mehr virtuelle Quark/Antiquark-Paare würden wir finden. Die genaue Verteilung hängt von der Energie ab, mit der wir es untersuchen. Bei den Energien, mit denen Protonen heutzutage [in Beschleunigern] aufeinanderprallen, stellen wir fest, dass eine beträchtliche Menge ihrer Energie von virtuellen Gluonen, Quarks und Antiquarks verschiedener Arten erzeugt wird. Für die Bestimmung der elektrischen Ladung sind sie zwar nicht entscheidend – die Summe der Ladungen all dieser virtuellen Teilchen ist null –, aber wie wir später sehen werden, sind sie für Vorhersagen über Kollisionen zwischen Protonen wichtig, wenn wir genau wissen wollen, was sich in einem Proton abspielt und was dessen Energie trägt (siehe Abbildung 18, die die kompliziertere Struktur innerhalb eines Photons zeigt).
Abb. 18: Im LHC prallen Protonen bei hoher Energie aufeinander. Jedes Proton enthält drei Valenz-Quarks und zusätzlich viele virtuelle Quarks und Gluonen, die ebenfalls an den Kollisionen teilnehmen können.
Jetzt, da wir in den Größenbereich der Quarks hinabgestiegen sind, die durch die starke Kernkraft zusammengehalten werden, würde ich Ihnen gerne sagen, was auf noch kleineren Skalen geschieht. Gibt es eine Struktur innerhalb eines Quarks? Oder gar innerhalb eines Elektrons? Bis jetzt haben wir keine Belege dafür. Kein Experiment hat bislang irgendwelche Belege für eine weitere Substruktur erbracht. Bei unserer Reise in die Materie hinein sind Quarks und Elektronen das Ende der Fahnenstange – bis jetzt.
Der LHC erforscht jetzt aber einen Energiebereich, der mehr als tausendmal größer ist – und somit auch Abstände, die tausendmal kleiner sind – als die Skalen, die der Protonenmasse entsprechen. Der LHC erreicht seine einzigartigen Leistungen, indem er zwei Protonenstrahlen, die auf eine extrem hohe Energie beschleunigt wurden, aufeinanderprallen lässt – eine höhere Energie als je hier auf der Erde erreicht wurde. Die Protonenstrahlen des LHC bestehen aus ein paar tausend Bündeln von einhundert Milliarden extrem parallel ausgerichteter (oder kollimierter) Protonen, die in kleinen Paketen gebündelt sind, welche im unterirdischen Tunnel umlaufen. 1232 supraleitende Magneten, die um den Ring herum angeordnet sind, halten die Protonen innerhalb des Strahlrohrs, während sie durch elektrische Felder auf hohe Energien beschleunigt werden. Andere Magneten (392, um genau zu sein) richten die Strahlen neu aus, so dass die beiden Strahlen nicht mehr aneinander vorbeiströmen und zusammenprallen.
Dann – und an dieser Stelle geschehen alle wichtigen Dinge – leiten Magnete die beiden Protonenstrahlen auf einer genau festgelegten Bahn um den Ring, so dass sie in einem Bereich aufeinanderprallen, dessen Durchmesser kleiner ist als der Querschnitt eines menschlichen Haars. Wenn sich dieser Zusammenstoß ereignet, wird ein Teil der Energie der beschleunigten Protonen in Masse umgewandelt – wie Einsteins berühmte Formel E=mc 2 uns sagt. Und mit diesen Zusammenstößen und der durch sie freigesetzten Energie könnten neue Elementarteilchen entstehen, die massereicher sind als alle, die wir bislang kennen.
Wenn die Protonen aufeinandertreffen, prallen Quarks und Gluonen gelegentlich mit einer gewaltigen Energie in einem sehr kleinen Bereich zusammen – etwa so, wie wenn Kieselsteine, die in Luftballons versteckt
Weitere Kostenlose Bücher