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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Coopers Stuhl hinter dessen Schreibtisch vor, sodass er mir gegenüber Platz nehmen konnte, ohne dass der Tisch zwischen uns stand. Langsam, so als täte ihm der Rücken weh, ließ er sich auf den Stuhl sinken und stieß erst einmal einen Seufzer aus.
    » Wie geht es Ihnen?«
    Zur Antwort zuckte ich mit einer Schulter. Was glauben Sie wohl?
    » Es wird Sie bestimmt freuen zu hören, dass wir im Krankenhaus mit unserem Paul Keane gesprochen haben und er kategorisch bestreitet, dass Sie an einem Verbrechen beteiligt waren. Er hat alles bestätigt, was Sie ausgesagt haben. Sofern keine anderen Hinweise auf eine Beteiligung Ihrerseits zum Vorschein kommen, gehe ich vorerst davon aus, dass Sie an dem Plan zum Missbrauch oder Mord an Jennifer Shepherd tatsächlich nicht beteiligt waren.«
    Als Bestätigung meiner Unschuld war das nicht gerade überwältigend, aber ich nahm es einfach als das, was es war: gewissermaßen eine Entschuldigung und die Zusicherung, dass ich nicht weiter verhört werden sollte.
    » Sie werden keine anderen Hinweise finden. Ich sagte Ihnen doch, dass ich damit nichts zu tun habe.«
    » Sieht wohl ganz danach aus«, sagte Vickers, faltete die Hände vor sich und vertiefte sich in die Betrachtung seiner Fingerknöchel, als seien diese für ihn ein Quell besonderer Faszination. Schweigend saß er da, und ich fragte mich, worauf er wartete.
    » Kann ich jetzt gehen?«
    » Hm. Na ja, natürlich können Sie, wenn Sie wollen. Könnte ich gut verstehen, wenn Sie nach Hause wollen. Sie sind wahrscheinlich müde und auch ein bisschen sauer auf uns.«
    » Nur ein kleines bisschen«, antwortete ich lakonisch.
    » Ja. Nun ja. Es wäre nur allzu verständlich, wenn Sie erst einmal heimfahren wollten.«
    Eine kleine Pause entstand. Ich wusste, dass er noch etwas im Sinn hatte, aber ich war mir nicht sicher, ob es zu unhöflich von mir war, Nein zu sagen, bevor ich überhaupt wusste, worum es ging. » Aber?«
    » Aber– also, ich sagte ja, dass wir mit Paul gesprochen haben, aber leider sind wir nicht besonders weit gekommen.« Mit seiner faltigen Hand rieb er sich den Hals. Ganz offensichtlich spielte er den erschöpften alten Mann, um mein Mitgefühl zu gewinnen. Ungerührt wartete ich darauf, dass er endlich zur Sache kam.
    » Das Problem ist, dass er uns nicht viel erzählen will, Sarah. Alles, was wir aus ihm herausbekommen konnten, war seine Beteuerung, dass Sie nichts damit zu tun haben. Er verkündet immer nur » kein Kommentar« hierzu, » kein Kommentar« dazu– am Anfang war er noch nicht einmal bereit, seinen Namen und sein Alter zu bestätigen. Erst als wir uns nach Ihnen erkundigt haben, fing er an zu reden. Sie haben offenbar mächtig Eindruck auf ihn gemacht. Er sagt, Sie seien nett zu ihm gewesen.«
    Paul tat mir unendlich leid. Ich hatte doch nicht mehr getan, als mit ihm zu reden und ihn einigermaßen menschlich zu behandeln. Wie konnte ihn das so tief beeindruckt haben, dass er sogar sein Schweigen brach, um mich zu verteidigen? Das musste ihn großen Mut gekostet haben. So schlimm es auch für mich war, eingesperrt und vernommen, oder besser gesagt, verhört zu werden– war ich doch wenigstens erwachsen und hatte eine gewisse Vorstellung von meinen Rechten. Und ich wusste, dass ich unschuldig war.
    » Eigentlich sollten Sie ihn überhaupt nicht vernehmen. Natürlich bin ich ihm sehr dankbar, dass er meine Aussagen bestätigt hat. Aber er ist doch noch ein Kind. Er ist extrem labil und hat eben erst versucht, sich umzubringen, verflixt noch mal. Und falls Ihre Annahme richtig ist, dass er an Jennys Missbrauch beteiligt war– damit sage ich nicht, dass Sie Recht haben; schließlich haben Sie sich bei mir ja auch getäuscht–, dann kann ich mir vorstellen, dass er sich angesichts dessen in Grund und Boden schämt.«
    » Das lässt sich nicht völlig von der Hand weisen«, sagte Vickers und versuchte, betreten dreinzuschauen. Sein zur Schau gestelltes Unbehagen passte nicht zu dem, was ich von ihm wusste, denn unter der Oberfläche war er stahlhart. Ich fixierte ihn reglos und schweigend.
    Vickers schlug sein mageres Bein über und verwendete einige Zeit darauf, den Hosenstoff über der Kniescheibe zu glätten. Schließlich hob er den Blick und sah mich an. » Angesichts dessen, was wir Ihnen gerade zugemutet haben, ist es wahrscheinlich nicht unbedingt angemessen, Sie darum zu bitten, uns zu helfen, aber ich bin in einer sehr schwierigen Situation, müssen Sie verstehen. Es ist uns nicht

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