Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
machen, dass ich zum einen nicht der Kopf dieser kriminellen Bande war und zum anderen nicht einmal bemerkt hatte, was sich direkt gegenüber von meinem Haus abgespielt hatte.
» Es handelt sich hierbei also«, sagte ich und wählte meine Worte mit Bedacht, » um eine Verkettung unglücklicher Umstände. Ich kann nachvollziehen, warum Sie mich verdächtigt haben. Es war seltsam, dass ich immer wieder in Ihr Blickfeld gekommen bin– das ist mir jetzt auch klar. Aber ich habe mich nur aus einem einzigen Grund in die Ermittlungen eingemischt: weil ich dachte, dass ich helfen kann. Als mein Bruder verschwunden ist, hat uns niemand geholfen. Ich wollte, dass derjenige, der Jenny das angetan hat, gefasst wird, und hoffe inständig, dass Sie Danny Keane erwischen, das können Sie mir glauben. Aber ich hatte nicht das Geringste mit dem Missbrauch zu tun. Ich wusste ja nicht einmal, dass Jenny und Danny sich kannten.«
Ich machte eine kurze Pause und überlegte, was ich als Nächstes sagen sollte. » Sie haben darauf verwiesen, dass Sachen von mir im Haus gefunden wurden. Das stimmt. Aber wie ich DCI Vickers schon gesagt habe, wurde ich diese Woche Opfer eines Raubüberfalls. Ich glaube inzwischen, dass der Täter wohl Danny Keane war.«
Ich stand auf, wandte den Beamten den Rücken zu und zog mein T-Shirt hoch. Die Prellung an meiner Schulter hatte sich in den letzten Tagen von schwarz zu gelblich-grün verfärbt, war jedoch noch immer deutlich erkennbar. Dann drehte ich mich wieder zu ihnen um und krempelte mein Hosenbein hoch, um ihnen mein Knie zu zeigen. Es war blass und geschwollen, und ich hörte, wie Cooper bei seinem Anblick einen mitfühlenden Laut ausstieß.
» Meine Handtasche wurde gestohlen. Weil mein Autoschlüssel darin war, konnte ich nicht mit dem Auto fahren.« Ich setzte mich wieder. » Hätte ich Zugang zu dem Haus gehabt, hätte ich mir doch als Erstes meinen Schlüssel wieder geholt. DS Blake hat bei dem Gedenkgottesdienst für Jenny mit mir gesprochen. Er kann bestätigen, dass ich zu Fuß dort hingekommen bin, obwohl es an diesem Abend stark geregnet hat, und dass ich anschließend eine Mitfahrgelegenheit nach Hause brauchte.
Ich weiß nicht, wie Danny auf Jenny als potenzielles Opfer aufmerksam wurde. Ich kann nur sagen, dass Jenny und Paul Keane zusammen die Grundschule besucht haben. Ich weiß nicht, weshalb Geoff überfallen oder warum ich ausgeraubt wurde. Das sind vermutlich Fragen, die nur Danny beantworten kann. Aber ich versichere Ihnen, dass ich zuletzt als Teenager mit ihm gesprochen habe.«
Grange wurde unwillig. » Das ist leider nicht besonders glaubwürdig. Sie wohnen schließlich nur wenige Meter von ihm entfernt.«
» Das ist richtig. Aber wir haben uns zerstritten.« Ich erinnerte mich noch mehr als deutlich an die Umstände und hoffte inständig, dass die Vernehmer nicht von mir wissen wollten, was vorgefallen war. » Ich bin diese Woche zu ihm hinübergegangen, weil ich ihn fragen wollte, ob er weiß, was mit meinem Bruder passiert ist. Bei der Gelegenheit bin ich auf Paul getroffen. Um ehrlich sein, wusste ich gar nicht mehr, dass es ihn überhaupt gibt. Ich hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen.«
» Weshalb wollten Sie ihn denn gerade jetzt nach Ihrem Bruder fragen?«
Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl herum und überlegte, wie ich ihnen das erklären sollte. » Was mit Jenny geschehen ist , hat mir alles wieder bewusst gemacht. Ich musste immerzu daran denken, wie es den Shepherds wohl geht. Und dann habe ich an meine Eltern gedacht– vor allem an meinen Vater. Niemand fragt noch nach Charlie; niemand außer meiner Mutter. Daran ist sie zerbrochen. Jahrelang habe ich versucht so zu tun, als hätte es Charlie nie gegeben. Ich habe versucht, vor dem, was meiner Familie zugestoßen ist, davonzulaufen, aber man kann so etwas nicht ewig leugnen. Ich hatte gehofft, möglicherweise doch noch etwas herauszufinden. Ich hatte befürchtet, dass vielleicht keiner je die richtigen Fragen gestellt oder mit den richtigen Leuten geredet hat. Ich dachte… Ich dachte, dass ich alles wieder in Ordnung bringen könnte.« Es hörte sich so naiv an, kaum dass ich es ausgesprochen hatte, und ich saß da und betrachtete meine Hände, weil ich den Vernehmern nicht ins Gesicht schauen wollte.
Da klopfte es leise an die Tür. Cooper hielt das Band an, während Grange öffnete. Er ging in den Korridor hinaus und schloss die Tür hinter sich. Ich blieb schweigend sitzen und machte
Weitere Kostenlose Bücher