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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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keinerlei Anstalten, mich mit Cooper zu unterhalten. Ich saß einfach da und wartete darauf, dass Grange wiederkam. Ich hatte alles getan, was ich konnte, und alles gesagt, was ich zu sagen hatte. Jetzt gab es nichts weiter zu tun als zu warten, und das tat ich.

1997
    Seit fünf Jahren vermisst
    Das Telefon klingelt. Ich liege auf dem Sofa, schneide mit einer Nagelschere den Spliss aus meinen Haaren und mache keine Anstalten ranzugehen, obwohl es ganz in meiner Nähe steht.
    Mum kommt aus der Küche und nimmt den Hörer ab. An ihrer spitzen Stimme erkenne ich, dass sie ungehalten ist.
    Sie spricht betont kurz und knapp, fast schon unhöflich. Einen Moment später lehnt sie in der Tür. » Sarah, dein Vater ist am Telefon. Kommst du bitte– er will mit dir sprechen.«
    Ich reagiere nicht sofort. Zunächst konzentriere ich mich auf eine letzte Locke. Sorgfältig halte ich die Schere im richtigen Winkel, um ein einzelnes Haar zu kürzen, von dem sich drei verschiedene Enden in alle Richtungen kringeln.
    » Das ist ja ekelhaft«, schimpft Mum. » Hör sofort auf damit. Dein Vater wartet auf dich.«
    Ich erhebe mich vom Sofa und gehe zu ihr. Wortlos und ohne sie eines Blickes zu würdigen, nehme ich ihr den Hörer aus der Hand.
    » Hallo.«
    » Hallo, mein Schatz. Wie geht’s?«
    » Geht so.«
    » Und was macht die Schule?«
    » Geht so.«
    Dad klingt gut gelaunt. Anstrengend gut gelaunt.
    » Bist du schön fleißig?«
    Anstelle einer Antwort seufze ich ins Telefon. Ich wünsche mir, er könnte mein Gesicht dazu sehen. Es ist gar nicht so leicht, per Telefon » Ist mir scheißegal« zu übermitteln unter Vermeidung dieser Worte, die ich mich dann doch nicht so recht traue auszusprechen.
    » Ach Sarah, ich weiß, das Leben ist nicht einfach. Aber du musst dich bemühen. Schule ist wirklich wichtig.«
    » Ja ja«, sage ich und trete langsam und bedächtig gegen die Scheuerleiste. Ich habe schwere Stiefel an– schwarze Caterpillar-Stiefel mit dicken Sohlen und Stahlkappen, die mir Dad nach langem Betteln gekauft hat. Ich fühle nicht mal, wie mein Fuß auf die Wand trifft.
    » Hör auf damit«, sagt Mum hinter mir. Sie steht in der Küchentür und belauscht mich. Ich wende mich noch demonstrativer von ihr ab, klemme mir den Hörer zwischen Schulter und Ohr und beuge mich nach vorn. » Dad, wann kann ich dich denn nun besuchen kommen?«
    » Bald. Die Wohnung ist fast fertig. Gerade habe ich das zweite Schlafzimmer zu Ende gestrichen. Sobald es eingerichtet ist, kannst du herkommen.«
    » Das dauert jetzt schon so lange«, brummle ich ins Telefon.
    » Ich weiß. Aber ich tue, was ich kann. Du musst noch ein bisschen Geduld haben, Sarah.«
    » Ich habe schon endlos lange Geduld gehabt«, versetze ich. » Langsam habe ich keine Lust mehr dazu.« Ich verpasse der Scheuerleiste noch einen derben Tritt, sodass ein Stück Farbe abblättert. » Dad, ich muss jetzt Schluss machen.«
    » Oh, geht klar.« Er klingt überrascht und ein bisschen enttäuscht. » Hast du was vor?«
    » Nein. Mir fällt bloß nichts weiter ein, was ich dir sagen könnte.« Es tut gut, gemein zu ihm zu sein. Er hat es verdient, finde ich.
    Eine kleine Pause entsteht. » Na dann…«
    » Tschüss«, sage ich und lege schnell auf, damit ich seine Antwort nicht mehr höre.
    Als ich mich umdrehe, steht Mum immer noch da, mit verschränkten Armen und dem Anflug eines Lächelns im Gesicht. Ich weiß, dass sie mit mir zufrieden ist, und bin für einen Augenblick froh darüber, doch dann meldet sich mein schlechtes Gewissen, und meine Abneigung gegen sie gewinnt wieder die Oberhand. Es ist mir doch völlig schnurz, was sie denkt.
    Ich gehe zurück ins Wohnzimmer, lasse mich wieder aufs Sofa fallen und wünsche mir, ich wäre am Telefon netter zu Dad gewesen, aber das ist jetzt zu spät. Jetzt ist er nicht mehr da.

14
    Sie ließen mich noch eine ganze Weile im Vernehmungsraum sitzen. Dann kam Grange zurück, um Cooper abzuholen. Zu mir sagte er kein Wort. Eine uniformierte Beamtin betrat leise den Raum und nahm schweigend neben der Tür Aufstellung, wobei sie meine Anwesenheit komplett ignorierte. Ich folgte ihrem Beispiel, schlang die Arme um die Knie und starrte Löcher in die Luft. Ich erwartete, nach dem Verhör, das meinem Gefühl nach jetzt vorbei war, wieder in die Zelle gebracht zu werden.
    Als die Tür das nächste Mal aufging, sah ich zu meiner Überraschung Vickers dort stehen. Mit einer Kopfbewegung ließ er die Beamtin abtreten und kam herein. Er zog

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