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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Minuten hatte er ganz offensichtlich vergessen, dass ich da war.
    Kurz darauf ging die Tür erneut auf, und herein kam Vickers mit einem Ordner in der Hand. Er ließ sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen und saß einen Augenblick lang vornübergebeugt, seinen Kopf in die Hand gestützt. Ich konnte die Anstrengung förmlich sehen, die es ihn kostete, sich zu sammeln.
    » Also, wie ich höre, haben Sie nicht nur die Leiche gefunden, sondern das Opfer obendrein gekannt«, sagte Vickers schließlich, während er sich mit geschlossenen Augen in die Nasenwurzel kniff.
    » Ähm, ja. Also, nicht besonders gut. Ich meine, ich unterrichte sie.« Da hatte ich nun so viel Zeit gehabt mich zu fassen und was passiert? Gleich die erste Frage bringt mich völlig aus dem Konzept. Ich holte tief Luft und atmete so langsam und unauffällig wie möglich aus. Mein Herz raste. Wie unangenehm. » Ich bin ihre Englischlehrerin. Ich sehe– also sah – sie viermal in der Woche.«
    » An dieser noblen Mädchenschule oben auf dem Berg? An der Straße nach Kingston? Die Edgeworth-Schule? Ist nicht gerade billig, oder?«
    » Das ist wohl so.«
    Vickers betrachtete ein Blatt Papier aus der Akte. » Die Familie wohnt aber in keiner sonderlich schicken Gegend. Morley Drive ist die Adresse.«
    Meine Augenbrauen schossen nach oben. » Ich wohne nur ein paar Straßen weiter. Ich hatte keine Ahnung, dass sie direkt in meiner Nähe wohnt.«
    » Finden Sie es verwunderlich, dass sie Jenny auf eine so teure Schule geschickt haben?«
    » Ich hatte den Eindruck, dass die Shepherds das Schulgeld gern bezahlt haben. Sie wollten das Beste für Jenny und forderten einiges von ihr. Sie war ein kluges Mädchen. Sie hätte in ihrem Leben viel erreichen können.« Ich musste blinzeln und ärgerte mich über die Tränen, die meine Stimme erstickten. Während ich darauf wartete, dass Vickers sich eine neue Frage ausdachte, beschäftigte ich mich damit, an der Stuhlfüllung herumzuzupfen. So hatte ich wenigstens etwas zu tun. Jetzt war mir auch klar, wie das Loch entstanden war. Selbst wenn Vickers etwas dagegen hatte, dass ich den Schaden noch vergrößerte, sagte er nichts dazu.
    » Wussten Sie, dass sie vermisst wurde?«
    » Michael Shepherd war heute Morgen in der Schule und hat versucht, von Jennys Mitschülerinnen etwas zu erfahren«, erklärte ich. » Er hatte das Gefühl, die Polizei…«
    » …nimmt ihn nicht ganz ernst«, ergänzte Vickers, als ich mitten im Satz abbrach. Er winkte ab, als wollte er mir damit bedeuten, dass ihn das nicht interessierte. » Hat er denn etwas Brauchbares herausbekommen?«
    » Er war so… verzweifelt. Ich glaube, er hätte alles versucht, um seine Tochter zu finden.« Ich schaute zu Vickers auf und traute mich kaum zu fragen: » Wissen sie es denn schon? Die Shepherds, meine ich.«
    » Noch nicht. Aber bald.« Bei dem Gedanken daran sah er noch erschöpfter aus als zuvor. » Andy und ich werden ihnen die Nachricht selbst überbringen.«
    » Das ist bestimmt schwer für Sie«, warf ich ein.
    » Gehört zum Job.« Vickers klang allerdings nicht so, als wäre es reine Routine, und Blake schaute stirnrunzelnd auf seine Füße, als ich zu ihm hinsah.
    Vickers öffnete die Akte und schloss sie wieder. » Sie hatten also keine engere Beziehung zueinander, die über das Lehrer-Schüler-Verhältnis hinausging? Keine persönlichen Kontakte außerhalb der Schule?«
    Ich schüttelte den Kopf. » Also, ich hatte sie natürlich im Blick. Es gehört ja zu meinem Beruf, darauf zu achten, ob die Mädchen gut drauf sind oder ob sie vielleicht etwas bedrückt. Aber bei ihr schien mir alles in bester Ordnung.«
    » Keinerlei Anhaltspunkte für Schwierigkeiten?«, fragte Blake. » Nicht der leiseste Grund zur Besorgnis? Drogen, Jungs, Disziplinprobleme, Schwänzen– solche Sachen?«
    » Überhaupt nicht. Sie war vollkommen normal. Hören Sie, versuchen Sie aus Jenny nicht etwas zu machen, was sie gar nicht war. Sie war ein zwölfjähriges Mädchen. Ein Kind. Sie war… Sie war unschuldig.«
    » Finden Sie?«, Blake verschränkte die Arme und strahlte puren Zynismus aus.
    Ich starrte ihn wütend an. » Ja. Es gibt hier keinen Skandal, okay? Sie sind da total auf dem Holzweg.« Ich wandte mich an Vickers. » Sollten Sie nicht eigentlich alle Hebel in Bewegung setzen, um den Täter zu finden? Bänder von Überwachungskameras auswerten oder die einschlägig bekannten Pädophilen der Gegend überprüfen? Wissen Sie, da draußen läuft ein

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