Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
Funkgerät auf dem Armaturenbrett und ein laminiertes Schild mit der Aufschrift » Polizeifahrzeug« in der Ablage neben der Handbremse. Es waren keinerlei persönliche Gegenstände zu sehen. Man musste wirklich kein Hellseher sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass DS Blake voll und ganz für seine Arbeit lebte.
Dass es ihn nervte, mich nach Hause zu fahren, hätte ich auch gemerkt, wenn er nicht noch einmal unter einem Vorwand in Vickers Büro verschwunden wäre. Ehe die Tür ins Schloss fiel, hörte ich noch: » Könnte denn nicht Valerie…« Den Rest des Satzes konnte ich mir schon denken. Doch da die Antwort offensichtlich negativ ausgefallen war, mussten wir gezwungenermaßen eine Zeitlang miteinander auskommen. Und die Tatsache, dass ich mich unbehaglich fühlte und er verstimmt war, war nichts im Vergleich zu jener Reaktion, die ich auf dem Gesicht einer hübschen uniformierten Beamtin gelesen hatte, der wir auf dem Weg zum Parkplatz begegnet waren. Blake bekam ein gewinnendes Lächeln von ihr, während ich eine Mauer aus Missbilligung und Neid passieren musste. Einmal mehr hatte ich den Eindruck, dass es auf dem gesamten Revier von allergrößtem Interesse war, was Blake tat oder mit wem er sich zeigte.
Schließlich stieg auch er in den Wagen.
» Wissen Sie, wie Sie fahren müssen?«, fragte ich vorsichtig.
» Jo.«
Na großartig. Das konnte ja heiter werden.
» Hören Sie, es tut mir wirklich leid, dass Sie das tun müssen. Ich hatte versucht, DCI Vickers davon zu überzeugen…«
Blake fiel mir ins Wort. » Keine Sorge. Ich war dabei, schon vergessen? Was der Chef verlangt, wird gemacht. Außerdem kenne ich die Wilmington-Siedlung ganz gut, ich finde schon hin.«
Nicht eben liebenswürdig, aber was erwartete ich eigentlich? Ich verschränkte die Arme und sagte mir, dass es vollkommen unsinnig war, in Tränen auszubrechen, nur weil jemand, den ich gar nicht kannte– und dessen Meinung überhaupt nicht maßgebend war–, mich angeblafft hatte.
Energisch legte Blake den Rückwärtsgang ein und stieß aus der Parklücke. An der Parkplatzausfahrt ließ er ungeduldig den Motor aufjaulen, während er auf eine Lücke im Verkehr wartete. Als er den Gang wechselte, streifte sein Ellbogen versehentlich meinen Ärmel. Ich rückte daraufhin noch ein Stück von ihm ab. Er sah erst geistesabwesend in meine Richtung und warf mir dann noch einen Blick zu.
» Alles okay mit Ihnen?«
Statt einer Antwort schniefte ich. Er stutzte.
» Du meine Güte… Ich wollte doch nicht… Beruhigen Sie sich…«
Ich versuchte, mich zusammenzureißen. » Es ist nicht Ihre Schuld. Wahrscheinlich posttraumatischer Stress oder so was. Es war einfach einer langer, entsetzlicher Tag. Keine Ahnung, wie Sie damit klarkommen, immerzu solche Sachen zu sehen.«
» Es ist ja nicht ständig so. Solche Fälle haben wir nicht allzu oft. Ich bin jetzt seit neun Jahren dabei, und das ist einer der schlimmsten, mit denen ich je zu tun hatte.« Er schaute mich von der Seite an. » Aber das ist schließlich mein Job, wissen Sie? Auch wenn es furchtbar ist, dass Jennifer Shepherd nicht mehr lebt, muss ich so rational wie möglich an die Sache herangehen. Ich werde dafür bezahlt, die Indizien zu prüfen, und das funktioniert am besten, wenn man einen klaren Kopf behält.«
Ich seufzte. » Ich könnte Ihren Job nicht machen.«
» Tja, und ich möchte Ihren auch nicht geschenkt haben. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als vor einer Schulklasse zu stehen und die Kids zu bändigen.«
» Oh, das geht mir oft genauso, das können Sie mir glauben.« Ehrlich gesagt sogar fast jeden Tag.
» Und wieso sind Sie dann Lehrerin geworden?«
Erstaunt blinzelte ich ihn an. Weil ich dämlich bin und keine Ahnung hatte, wie schwer es sein würde. Weil es mir damals einfach als die beste Wahl erschien und ich noch nicht wusste, dass ich dafür überhaupt nicht geeignet bin. Weil mir nicht klar war, wie gemein und gnadenlos Teenager Menschen gegenüber sein können, die Autoritätspersonen darstellen sollen, obwohl sie überhaupt nicht in der Lage sind, für Disziplin zu sorgen, geschweige denn zu unterrichten. Die letzten beiden Jahre waren die Hölle auf Erden gewesen.
Blake wartete noch immer auf eine Antwort. » Na ja,das war eben eine Möglichkeit, etwas zu tun. Ich mochte Englisch immer gern und habe es an der Uni studiert. Tja, und dann sind einige meiner Freunde Lehrer geworden, und ich halt auch.« Ich lachte, obwohl es in meinen Ohren
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