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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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eher matt und das Gegenteil von Charisma, aber dennoch war er mir auf Anhieb sympathisch.
    » Miss Finch«, sagte er und reichte mir die Hand. » DS Blake und ich würden uns gern zuallererst mit Ihnen unterhalten.« Sein Blick ging über die Decke, mit der ich krampfhaft versuchte mich warm zu halten, dann zu meinem Gesicht, und ich bemühte mich zu verbergen, dass mir die Zähne klapperten. » Aber dazu sollten wir uns unbedingt ein wärmeres Plätzchen suchen. Wahrscheinlich sind wir auf dem Revier besser aufgehoben, wenn Sie nichts dagegen haben, mit uns dorthin zu fahren?«
    » Nein, ganz und gar nicht«, erwiderte ich, fasziniert von der einfühlsamen Art des Oberinspektors.
    » Soll ich fahren, Chef?«, fragte Inspektor Blake, sodass meine Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt wurde. Er sah ausgesprochen gut aus, hatte ein schmales Gesicht und fein gezeichnete Lippen. Es war offensichtlich, dass er diese Gelegenheit nutzen wollte, um so viel wie möglich über Jenny zu erfahren und sich damit einen Vorsprung zu verschaffen. Valerie Wade sprang verzweifelt in die Bresche: » Sie müssen Ihre wertvolle Zeit nicht mit Taxifahren verschwenden, Andy. Ich kann sie fahren.«
    » Gute Idee«, antwortete Vickers etwas geistesabwesend. » Ich werde auf dem Revier eine Lagebesprechung abhalten und würde gern unterwegs noch ein paar Dinge mit Ihnen erörtern, Andy.« Dann wandte er sich wieder an Valerie. » Lassen Sie Miss Finch in meinem Büro Platz nehmen, und besorgen Sie ihr bitte einen Tee, ja?«
    Unverzüglich hastete Valerie mit mir los und schob mich auf den Beifahrersitz ihres Wagens. Es war ein komisches Gefühl, in einem fremden Auto– noch dazu einem Polizeiwagen– durch die vertrauten Straßen meiner Wohngegend zu fahren. Das Funkgerät sonderte laufend unverständliche Geräusche ab, und obwohl sich Valerie redlich um Konversation mit mir bemühte, lauschte sie höchst konzentriert dem verrauschten, für mich vollkommen unergründlichen Geplärr. Inzwischen hatte sich die Straßenbeleuchtung eingeschaltet, und ich beobachtete das Spiel von Hell und Dunkel auf der Motorhaube. Valerie hielt sich peinlich genau an sämtliche Verkehrsregeln, als wäre ich ihre Fahrprüferin. Als sie schließlich vor dem Polizeirevier parkte, war ich gerade ein wenig eingedöst. Sie geleitete mich durch den Eingangsbereich mit der Rezeption und tippte dann mit ausladender Geste einen Code in eine kleine Tastatur, woraufhin sich eine schwere Tür öffnete. Sie war mattgrün gestrichen und wies vier wirklich eindrucksvolle Dellen auf, als hätte sie jemand voller Wut einzutreten versucht.
    Ich folgte Valerie durch einen schmalen Flur in ein überheiztes und unaufgeräumtes Büro und ließ mich auf dem Stuhl nieder, den sie mir anbot. Er stand neben einem Schreibtisch, auf dem sich Aktenberge türmten. Der Stuhl war ein reines Zweckmöbel mit einem kratzigen, orangefarbenen Stoffbezug, der im Laufe der Jahre einen dezenten Grauschleier bekommen hatte. Jemand hatte ein Loch in die Sitzfläche gepult, sodass kleine gelbe Schaumstoffkrümel herausquollen und an meinen Laufshorts hängen blieben. Anfangs unternahm ich einen halbherzigen Versuch sie zu entfernen, gab es aber bald auf.
    Anschließend brachte mir Valerie wie angeordnet einen starken schwarzen Tee in einem Henkelbecher mit der Aufschrift Fun Run ’03. Dann eilte sie wieder hinaus und ließ mich allein, sodass ich in aller Ruhe die Plakate studieren konnte, die jemand an die Wände des kleinen Raumes geheftet hatte. Die Silhouette von Florenz, aufgenommen vom oberhalb der Stadt gelegenen Belvedere. Ein grüner Kanal, gesäumt von malerisch verfallenen Häusern– in hysterischem Kursivdruck der Schriftzug Venezia am unteren Bildrand. Jemand liebte also offensichtlich Italien, allerdings nicht genug, um das Venedig-Poster ordentlich aufzuhängen. Eine Ecke, an der sich der Klebstoff gelöst hatte, wellte sich nach oben, und gerade hatte es wahrscheinlich noch nie gehangen.
    In meiner Tasse war nur eine kleiner Schluck Tee übrig, als sich die Tür öffnete und Inspektor Blake schwungvoll eintrat.
    » Entschuldigen Sie bitte die Wartezeit. Wir hatten vor Ort noch ein paar Dinge abzuklären.«
    Er klang ein wenig barsch und geistesabwesend. Ich spürte, dass sein Gehirn auf Hochtouren arbeitete, und fühlte mich im Vergleich dazu noch lethargischer als zuvor. Er lehnte an einem Heizkörper hinter dem Schreibtisch, starrte vor sich hin und sagte kein weiteres Wort. Nach ein paar

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