Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
schniefte. » Auch gut. Dann gehe ich eben später essen. Ich habe im Moment sowieso keinen so großen Appetit.«
Ich wandte ihr den Rücken zu und schnitt in Blakes Richtung eine Grimasse, woraufhin dieser mit einem als Hustenanfall getarnten Lachen in den Korridor eilte, um Janets Blicken zu entgehen. Sobald sich die Tür hinter mir geschlossen hatte, fragte er amüsiert: » Was war denn?«
» Was, Janet? Sie ist schon was Besonderes, oder?«
» Das können Sie aber laut sagen. Die ist ja mindestens so witzig wie diese Strickerinnen am Fuß der Guillotine. Wie sind Sie denn da hineingeraten?«
» Akuter Schülermangel und zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Immer noch besser, als gar nichts zu tun, aber trotzdem danke für die Rettung.« Ich zögerte einen Augenblick. » Worüber wollten Sie denn mit mir reden?«
Blakes Miene war jetzt ausgesprochen ernst, sodass ich seinem Anliegen mit einem gewissen Unbehagen entgegensah. » Ich wollte mich erkundigen, ob Sie vielleicht Hunger haben? Denn sollten Sie tatsächlich so taktlos sein, angesichts der gegebenen Umstände etwas essen zu wollen, könnte ich Ihnen gern an einem Ort Ihrer Wahl«– er hielt eine Papiertüte in die Höhe– » ein leckeres Sandwich anbieten. Es ist herrliches Wetter. Gibt es hier irgendwo ein grünes Fleckchen?«
Ich blinzelte überrascht und merkte, wie sich meine Stimmung schlagartig besserte. Es war in der Tat ein herrlicher Tag und somit nicht nötig, die Mittagspause im muffigen Schulsekretariat zuzubringen oder– noch schlimmer– im Lehrerzimmer, wo ich mir beim Essen das Klappern von Stephen Smiths Prothese anhören musste. Das war wirklich nicht besonders verlockend, zumal sich ja gerade eine erheblich angenehmere Variante eröffnete. Würde ich es bedauern, Blakes Angebot auszuschlagen? Kurz gesagt, ja.
» Ich weiß nicht so recht«, entgegnete ich und imitierte Blakes seriöses Gebaren. » Was haben Sie denn als Belag im Angebot?«
» Einmal Schinken mit Salat und einmal Käse mit Tomate.«
Ich überlegte. » Könnte ich Käse mit Tomate haben?«
» Unbedingt.«
» Tja, wenn das so ist, dann kommen Sie mal mit.« Ich ging voraus und steuerte auf das Tor zum Parkplatz zu. » Ein ruhiges Plätzchen an der frischen Luft, ist das die Vorgabe?«
Blake legte einen Schritt zu, um als Erster am Tor zu sein und es mir aufzuhalten. » Idealerweise ein Stück abseits von dieser Meute da.« Er nickte in Richtung des Reportergewimmels am Schultor.
» Kein Problem.« Ich ging voran, vorbei am Schulgebäude und am Hockeyfeld, bis zu einem kleinen, von hohen Mauern umgebenen Schulgarten. Dort konnten die Mädchen– mit recht unterschiedlichem Erfolg– ihren grünen Daumen ausprobieren. Das Gemüsebeet bot einen ausgesprochen traurigen Anblick; die verwelkten Salatköpfe waren dem Kampf gegen das üppig gedeihende Unkraut einfach nicht gewachsen. An den Mauern verströmte jedoch ein prächtiges Geißblatt seinen intensiven Duft, und zwei Apfelbäume warfen lichten Schatten auf die Wiese. Der Schulgarten hatte den Vorzug, dass man ihn nicht einsehen konnte, weshalb er in normalen Zeiten ein beliebter Rückzugsort für jene Schülerinnen war, die in der Mittagspause das strikte Rauchverbot unterwandern mussten. Jetzt war er allerdings einsam und verlassen.
» Perfekt«, befand Blake, als er über meine Schulter hinweg einen Blick durch das Gartentor warf. Er stand so dicht hinter mir, dass ich seine Gegenwart sehr intensiv wahrnahm und daraufhin einen Moment brauchte, um mich wieder zu sammeln. Ich entriegelte das Tor, trat hinunter auf die Wiese, und er folgte mir.
» Privatschulen sind doch wirklich unschlagbar, oder?«
» Schon möglich.« Ich betrachtete ihn skeptisch. Er trug einen ziemlich schicken Anzug. » Wollen Sie sich auf eine Bank setzen oder lieber auf der Wiese liegen?«
Er hockte sich hin und befühlte das Gras. » Trocken wie Zunder. Ich stimme für die Wiese.«
Er entledigte sich seines Jacketts und seiner Krawatte, krempelte seine Hemdsärmel hoch und machte es sich dann rücklings auf dem Rasen bequem. Amüsiert beobachtete ich, wie er die Handballen auf die Augenhöhlen presste. » Müde?«
» Nur ein bisschen«, antwortete Blake mit schläfriger Stimme.
Er lag in der Sonne, und ich ließ mich daneben an einem schattigen Fleckchen nieder und inspizierte den Inhalt der Lunchtüte. Doch allmählich wurde mir die Stille unbehaglich.
» Wie laufen die Ermittlungen denn?«, fragte ich schließlich.
Er
Weitere Kostenlose Bücher