Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vernetzung der Welt: Ein Blick in unsere Zukunft (German Edition)

Die Vernetzung der Welt: Ein Blick in unsere Zukunft (German Edition)

Titel: Die Vernetzung der Welt: Ein Blick in unsere Zukunft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Schmidt , Jared Cohen
Vom Netzwerk:
physischen Konflikts bedeuten. Beispielsweise könnten die Kurden, die vor allem in der Türkei, Syrien, dem Iran und dem Irak leben, ein kurdisches Internet aufbauen, um virtuell ihre Unabhängigkeit zu erklären. Da das irakische Kurdistan bereits weitgehend autonom ist, könnten diese Bemühungen hier ihren Ausgang nehmen. Die Kurden könnten eine Top-Level-Domain registrieren (zum Beispiel mit der Endung «.com.krd» für Kurdistan) und ihre Server in neutralen oder Unterstützerländern aufstellen. Damit wäre der Grundstein gelegt.
    Virtuelle Staaten wären weit mehr als eine Geste und eine Top-Level-Domain. Mit weiteren Projekten ließe sich eine eigene kurdische Online-Identität schaffen. Das kurdische Internet könnte eine stabile Version des Internets anderer Länder werden, selbstverständlich in kurdischer Sprache. Von da ausgehend könnten kurdische oder sympathisierende Informatiker Anwendungen, Datenbanken und andere Onlineprojekte programmieren, die das Anliegen der Kurden nicht nur darstellen, sondern auch aktiv fördern. Diese virtuelle Gemeinschaft könnte Wahlen abhalten, Ministerien einrichten und einfache staatliche Dienstleistungen bereitstellen. Sie könnte sogar eine eigene virtuelle Währung ausgeben. Das virtuelle Informationsministerium würde den Datenstrom von und zu den kurdischen Internetbürgern verwalten. Das Innenministerium wäre für die Sicherheit des virtuellen Staates zuständig und könnte ihn vor Cyberangriffen schützen. Das Außenministerium würde diplomatische Beziehungen zu anderen, physischen Staaten aufnehmen. Und das Wirtschaftsministerium würde den Onlinehandel zwischen kurdischen Gemeinschaften und dem Ausland fördern.
    Natürlich würden diese virtuellen Unabhängigkeitsbestrebungen bei den betroffenen Staaten auf denselben Widerstand stoßen wie die Separatistenbewegungen in der physischen Welt. Die Gründung eines virtuellen Tschetschenien könnte zwar einerseits die ethnische und politische Solidarität unter den Unterstützern in der Kaukasusregion festigen, doch sie würde die Beziehungen der Tschetschenen zur russischen Regierung erheblich belasten, die diesen Schritt als Verletzung ihrer Souveränität auffassen würde. Der Kreml könnte gegen diese virtuelle Provokation mit harten physischen Maßnahmen reagieren und mit Panzern und Truppen gegen die Mitglieder der tschetschenischen Bewegung vorgehen. Für die Kurden, die sich auf mehrere Länder verteilen, wäre das Risiko noch größer, da ein virtueller kurdischer Staat in der ganzen Region auf Widerstand stoßen würde. Die betreffenden Länder würden keinen Aufwand scheuen, die virtuellen kurdischen Institutionen durch Spionage, Cyberangriffe, Desinformationskampagnen und Unterwanderung zu zerstören. Offline bekämen die Kurden die volle Wucht dieses Zorns zu spüren. Mit Hilfe der gewaltigen Datenmengen, die die virtuellen Bürger im Internet hinterlassen, könnten die betreffenden Nationen die Unterstützer des virtuellen Staats problemlos ausfindig machen. Nur wenige Separatistenbewegungen hätten die Ressourcen und die internationale Unterstützung, um derart massiven Angriffen etwas entgegensetzen zu können.
    Die Ausrufung eines virtuellen Staates würde zum Landesverrat erklärt, und zwar nicht nur in Unruhegebieten, sondern fast überall. Für viele Länder wäre diese Option zu riskant, um sich nicht gegen sie abzusichern. Allein der Gedanke virtueller Institutionen könnte Separatistengruppen wie den spanischen Basken, den georgischen Abchasen oder den philippinischen Moros, die mit ihrem bewaffneten Widerstand gescheitert sind, neues Leben einhauchen. Mit einer fehlgeschlagenen virtuellen Staatsgründung wäre vermutlich das gesamte Experiment beendet. Wenn sich beispielsweise die verstreuten Anhänger der texanischen Sezessionsbewegung zusammentun, eine digitale Republik Texas ausrufen und dafür nur Hohn und Spott ernten würden, dann wäre der Gedanke einer virtuellen Staatsgründung vermutlich auf absehbare Zeit passé. Es bleibt abzuwarten, welcher Erfolg solchen Bestrebungen beschieden ist, wobei sich die Frage stellt, woran man Erfolg überhaupt bemessen könnte. Doch die Tatsache, dass dies überhaupt möglich ist, sagt viel über die Verteilung staatlicher Macht im Digitalzeitalter.

Kapitel  4 Die Zukunft der Revolution
    Der Arabische Frühling ist längst Geschichte, doch die weiteren Entwicklungen sind nur schwer abzusehen. Sicher scheint nur, dass es in nächster Zukunft,

Weitere Kostenlose Bücher