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Die Verraeterin

Die Verraeterin

Titel: Die Verraeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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einen Spatz mit gebrochenen Flügeln, der beinahe schon wieder so weit verheilt war, dass er allein fliegen konnte.
    Mateo wurde durch den lauten Knall einer Metalltür geweckt, die ins Schloss fiel.
    Seine Schulter und sein Rücken pochten schmerzhaft, und der kalte Boden unter ihm sog die Wärme aus seinem Körper. Es stank ätzend nach Alkohol und Urin. Er öffnete die Augen und sah sich um. Er hatte keine Ahnung, wo er war.
    Auf drei Seiten des Raums befanden sich Betonmauern, und an der vierten war eine Schiebetür aus Metall zu sehen. Der Boden war ebenfalls aus Beton und hatte in der Mitte einen runden Ablauf. Grelle Neonlichter schienen von der Decke über ihm herab.
    Sein Mund wurde staubtrocken.
    Er befand sich in einer Zelle. Oder vielmehr in einem Käfig .
    Mit einer schnellen Bewegung sprang er auf seine vier Tatzen und stand angespannt und mit aufgestellten Nackenhaaren in der Mitte des Käfigs. Er schnupperte in die saure Luft und versuchte, mit allen Sinnen die Gefahr einzuschätzen, in der er sich befand. Bruchstücke von weit entfernten Gesprächen drangen ihm ans Ohr, unzusammenhängende Wörter, die durch das leise Dröhnen einer uralten Klimaanlage und das Surren eines Helikopters irgendwo über dem Dach des Hauses noch unverständlicher gemacht wurden.
    Einige der Wörter verstand er – erstaunlich, Untersuchung, Spezies, Pest. Ihm fiel auch auf, dass sie auf Englisch gesagt wurden, wobei er sich jedoch vor allem auf den aufgeregten Tonfall der sprechenden Stimmen konzentrierte.
    Der Käfig war schlimm genug. Doch die Aufregung, die in den Stimmen mitschwang, versprach noch Schlimmeres.
    Sein Blick wanderte durch den sterilen Korridor hinter den eng stehenden Gitterstäben der Schiebetür. Er sah einen Steinboden und weitere leere Käfige, die genauso aussahen wie seiner. Viel mehr konnte er nicht entdecken. Das ganze Ausmaß seiner Situation offenbarte sich ihm mit einer atemberaubenden Klarheit. Er stand erstarrt da, während in seinem Inneren eine panische Mischung aus Erinnerungen, Überlegungen und Plänen aufwallte.
    Er erinnerte sich an die drei feindlichen Ikati. Er erinnerte sich an den Kampf im Nachtclub, an das Chaos, die Schreie und die Frau mit dem Smartphone. Er erinnerte sich an die Polizei … Sein Herz blieb stehen.
    Die Polizei. Schüsse.
    Julian.
    Man hatte auf Julian geschossen. Er war in einem Regen aus leuchtend rotem Blut auf der Tanzfläche zusammengebrochen, während Mateo und Tomás vor Wut gefaucht und auf den Schützen zugesprungen waren, während die anderen Ikati flohen. Sie hatten den Beamten bis zur Unkenntlichkeit zerbissen. Doch da waren noch andere gewesen. Es hatte weitere Schreie gegeben und uniformierte Menschen mit Pistolen, Schlagstöcken und Elektroschockern, mit deren Hilfe es ihnen schließlich gelungen war, ihn und Tomás zur Strecke zu bringen. Danach erinnerte er sich an nichts mehr.
    War Julian noch am Leben? Wo war Tomás? Wem gehörten diese Stimmen, und was hatten diese Leute mit ihnen vor?
    Durch seine Schulter schoss es schmerzhaft, als er in den vorderen Teil des Käfigs humpelte. Er hatte das Gefühl, als ob ihm einer seiner Arme beinahe ausgerissen worden wäre. Einer der feindlichen Ikati hatte seine Reißzähne in sein Fleisch geschlagen und dann wild den Kopf geschüttelt. Doch die Wunde würde schneller heilen, wenn er sich in seiner natürlichen Gestalt befand. Es wäre ihm jetzt sowieso nicht möglich gewesen, sich wieder zurückzuverwandeln, selbst wenn er es gewollt hätte. Sobald die Ikati verletzt waren, konnten sie sich nicht mehr verwandeln. Selbst der kleinste Schnitt verhinderte das. Er hatte auch nicht vor, sich zu verwandeln, während er sich in Gefangenschaft befand – selbst wenn er lange genug hierblieb, um ganz zu heilen. So wussten diejenigen, die ihn gefangen hatten, auch nicht, wer er wirklich war. Sein Leben – ebenso wie das von Julian und Tomás – hing davon ab. Ein Ikati war bisher noch nie – noch nie – lebend von Menschen gefangen worden. Er wusste instinktiv, dass ihm nur der Selbstmord bleiben würde, wenn es ihm nicht gelänge, hier irgendwie herauszukommen.
    Wenn nötig, würde er sich eine Schlagader mit den eigenen Zähnen herausreißen.
    Leise schlich er in den vorderen Teil der Zelle, die Ohren angelegt. Seine Augen wanderten über die Wände und die Decke, um nach irgendwelchen Überwachungskameras zu suchen. Es gab keine. Und auch nichts anderes Technisches. Der ganze Raum sah so aus und roch

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