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Die Verraeterin

Die Verraeterin

Titel: Die Verraeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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»Es tut mir so unendlich leid, was man dir angetan hat, und dass ich dafür verantwortlich bin.«
    Jenna beugte sich vor, wobei der Stoff ihres Kleids raschelte. Mit einer Hand berührte sie sanft Morgans Knie. »Ich weiß, dass es dir leidtut. Ich weiß, dass du das nicht wolltest … Ich weiß, dass so etwas nie deine Absicht war.« Dann fügte sie nachdenklich hinzu: »Ich kann das sehen, weißt du?«
    Morgan öffnete die Augen und blickte in das blasse, ernste Gesicht ihr gegenüber. Einen Moment lang verspürte sie einen solchen Hass auf sich selbst, dass sie das Gefühl hatte, eine Granate verschluckt zu haben, die sie von innen zerriss. »Warum tust du das alles für mich? Warum hast du verhindert, dass man mich hinrichtet?«
    Es schien kaum möglich, doch Jennas Gesicht wurde noch ein wenig blasser. Sie zog ihre Hand von Morgans Knie zurück und lehnte sich langsam zurück, um es sich mit einem leisen, traurigen Seufzen wieder bequem zu machen. Es war ein Laut, in dem ein ganzes Leben voller Melancholie mitschwang. Ihr Blick wanderte einen stummen Moment lang über Morgan, ehe sie leise stockend zu sprechen begann.
    »Ich habe dir ein Versprechen gegeben. Vor gar nicht allzu langer Zeit. Weißt du noch?«
    Ja , wollte sie antworten. Ich weiß es noch. Natürlich weiß ich es noch. Meine Freiheit für mein Schweigen. Aber sie sagte es nicht. Es waren andere in der Nähe – Wächter, die eine bedingungslose Loyalität auszeichnete und die niemals verstehen würden, wie eine Freundschaft in der dunklen Erde eines gemeinsamen Geheimnisses Wurzeln schlagen und erblühen konnte. »Aber das war doch noch vor …«, protestierte sie und brach dann ab, da sie den Rest nicht laut aussprechen konnte.
    Jennas Lippen zuckten, und aus irgendeinem seltsamen Grund hatte Morgan das Gefühl, als ob sie ein Lächeln unterdrücken würde.
    »Mein Vater hat immer gesagt: ›Ein Versprechen muss man halten.‹ Er war jemand, der nie sein Wort brach, und ich habe das auch nicht vor. Ich biete dir nur eine Chance, Morgan. Eine Chance für dich, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen, und eine Chance für uns, die Oberhand zu gewinnen. Wenn alles gut geht, wirst du begnadigt. Du kannst nach Sommerley zurückkehren oder in eine der anderen Kolonien ziehen und dort ein neues Leben beginnen. Realistisch betrachtet, besteht keine große Wahrscheinlichkeit, dass wir ihren Hauptsitz dort ausfindig machen. Rom ist eine große Stadt, und ich habe nichts Auffälliges im Bewusstsein der Expurgari , die mich folterten, gesehen.« Das Wort folterten sprach sie ohne Zögern aus. »Keine Adresse, keine herausstechenden Dinge in der Nähe, nicht einmal eine Vorstellung von dem Viertel, in dem das Haus stehen könnte. Nur dieser grauenvolle Raum voller …«
    Köpfe war das Wort, das die Königin nicht aussprach. Köpfe in Formaldehyd, eine Reihe nach der anderen von Köpfen in Gläsern, die eine ganze Wand in einem großen, fensterlosen Raum aus dunklem Stein und mit antiken Möbeln bedeckten. An der Decke hingen bunte Flaggen mit Wappen. Es waren die Köpfe ermordeter Ikati, von denen einige erst ein paar Monate zuvor getötet worden waren. Danach hatte man sie getrocknet und geschrumpft, um sie dieser schrecklichen Sammlung hinzufügen zu können, die vermutlich schon jahrhundertealt war.
    Es war der Trophäenraum des Feindes. Und Morgans Ziel, das sie höchstwahrscheinlich niemals erreichen würde.
    Jenna räusperte sich und senkte den Blick, um ihre Hände zu betrachten, die in ihrem Schoß ruhten. »Dir bleiben nur zwei Wochen. Ein halber Monat, eine Nadel in einem Heuhaufen zu finden, ist eigentlich keine echte Chance. Aber mehr konnte ich nicht für dich tun. Es ist ein … ein Kompromiss. Wenn du die Expurgari findest, dann ist alles gut. Wenn es dir allerdings nicht gelingt, sie rechtzeitig aufzuspüren …« Sie brach ab, wie zuvor. Es war nicht nötig, das Offensichtliche auszusprechen.
    Wenn sie die Expurgari nicht rechtzeitig finden würde, bedeutete das ihren Tod.
    Jenna musste bemerkt haben, dass Morgan erbleichte, denn sie lehnte sich plötzlich erneut vor und fasste nach Morgans Händen. Während sie diese festhielt, sprach sie in einem drängenden, leidenschaftlichen Ton. »Das Schicksal spielt uns allen mit, Morgan. Ich kann nicht vorhersagen, wie das alles enden wird, denn es liegt nicht in meiner Macht. Aber ich kann dir eine Chance für eine Wiedergutmachung geben. Jeder verdient zumindest das. Was du daraus machst, liegt

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