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Die Verraeterin

Die Verraeterin

Titel: Die Verraeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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Anrichte aus schimmerndem Kirschholz, wo auf einem Silbertablett eine Vielzahl von Kristallflaschen standen, in denen sich bernsteinfarbene, goldene und durchsichtige Flüssigkeiten befanden. Xander beobachtete ein wenig erstaunt, wie sein Gastgeber großzügig Scotch in ein Glas goss, den Kopf zurückwarf und ihn mit einem großen Schluck hinunterkippte.
    Der großen Standuhr in der Ecke nach zu urteilen war es kaum zwölf Uhr mittags. Xanders vages Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte, war nun mehr als eine bloße Ahnung.
    »Beides?«, fragte er nach, als Leander nichts weiter sagte.
    Mehrere Sekunden lang herrschte Stille, die nur vom Prasseln des Regens an die Fensterscheiben und dem Ticken der Standuhr durchbrochen wurde. Dann sprach Leander mit leiser Stimme weiter, scheinbar nur zu dem leeren Glas in seiner Hand.
    »Sind Sie jemals verliebt gewesen, Xander?«
    Die Frage erwischte den Auftragskiller, der von Kindheit an gelernt hatte zu handeln und nicht zu fühlen, völlig unvorbereitet. Ohne etwas dagegen tun zu können, sah er einen Moment lang schokoladenbraune Augen vor sich, die ihn dunkel und lächelnd anblickten. Er blinzelte irritiert, und das Bild verschwand. Zurück blieb nur der Geist eines dumpfen Schmerzes, der in seiner Brust pochte, ehe er auch diesen gnadenlos verdrängte.
    »Nein«, antwortete er tonlos.
    »Ich bis vor Kurzem auch nicht«, meinte Leander noch immer mit leiser Stimme und noch immer den Blick auf sein leeres Glas gerichtet. Xander wusste, dass er von seiner neuen Frau sprach. Man nannte sie die Diamanten-Königin – genauso schön, genauso selten. Sie war in allen vier Ikati-Kolonien berühmt, sowohl für ihre Gaben und ihren Charme als auch für ihre Vergangenheit, ihre Eltern.
    Die einzige Ikati, die in Freiheit geboren wurde, Tochter eines ausgestoßenen Alpha und seiner menschlichen Geliebten, eine Verbindung, die verboten war.
    Denn Menschen waren die natürlichen Feinde der Ikati.
    »Es ist viel allumfassender, als ich das jemals für möglich gehalten hätte«, fuhr Leander fort und schien noch immer eher mit sich selbst als mit Xander zu sprechen. »Elementarer. Eingreifender. Und schmerzhaft.« Er lachte leise, wobei er nicht belustigt wirkte. »Wie Feuer.«
    »Wie der Tod«, fügte Xander hinzu. Seine Stimme klang weiterhin ton- und ausdruckslos.
    Die Unterhaltung bewegte sich auf einen dunklen Abgrund zu, auf eine gefährliche Stelle, die er sich nicht näher ansehen wollte. Die Liebe war elementar, das wusste er nur zu gut. Sie konnte genauso grausam und heftig wie ein Wirbelsturm oder eine Sintflut sein. Allein darüber zu sprechen konnte in einer Katastrophe enden.
    Ein weiterer Donnerschlag brachte die Fensterscheiben zum Klirren und riss Leander aus seinen Überlegungen. Er stellte das leere Glas auf einen mit Perlen besetzten Untersetzer und wandte sich dann abrupt seinem Gesprächspartner zu. Seine Miene war nun undurchdringlich.
    »Wir möchten, dass Sie ein Mitglied unserer Kolonie nach Rom begleiten, um dort die Expurgari ausfindig zu machen.«
    Xander zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Sie sind in Rom?«
    »Ich weiß«, meinte Leander. »Ich habe mir immer vorgestellt, dass die Expurgari in den schlimmsten Orten der Welt hausen würden, wo Verzweiflung und Krankheit herrschen. So wie in Kalkutta oder im Tal des Todes.«
    »Oder Tschernobyl«, fügte Xander trocken hinzu.
    »Aber vielleicht haben sie Rom gar nie verlassen. Schließlich begann das Ganze mit einem römischen Kaiser. Möglicherweise ist einer seiner Nachfahren sogar ihr jetziger Anführer.«
    »Aber warum ich?«, hakte Xander nach. »Ich bin kein Bodyguard, wie Sie wissen. Im Grunde bin ich genau das Gegenteil. Wenn Ihr Mann Muskeln braucht, gibt es viel Bessere als mich …«
    »Nein«, unterbrach ihn Leander und musterte Xander aufmerksam. Er holte tief Luft. Seine Schultern hoben und senkten sich, und dann schritt er durch die Bibliothek, um es sich erneut in dem weichen, bequemen Sessel gemütlich zu machen. Er richtete den Blick auf den Sturm vor dem Fenster. »Wir brauchen keinen Bodyguard. Wir brauchen genau Ihre Fähigkeiten. Für unseren Mann.«
    Die Art, wie er das letzte Wort betonte, wirkte ironisch, ja spöttisch. Xander wartete. Er wusste, dass er die Antworten, die er brauchte, bekommen würde, wenn er nur lange genug wartete. Er war für seine Geduld berühmt, fast genauso wie für seine Präzision und Effizienz sowie seine völlige Gefühlskälte.
    »Sie werden«, fuhr

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