Die verratene Nacht
selbsternannten Nerd hatte er ein Sixpack, bei dem jede Frau gerne zweimal hinsah. Das war etwas, was seit dem Wechsel passiert war, als er sich dabei ertappte, wie er viel mehr körperliche Arbeit leistete wie vor 2010.
„Ich stelle gerade fest“, sagte sie in einer dezidiert verführerischen Stimme, „dass deine Wunde verschwunden ist. Kaum eine Narbe.“
Er schaute an seinem Oberkörper runter und strich mit der Hand dort drüber, wo die Wunde gewesen wäre. Sie hatte Recht, da war nichts. „Das ist abgefahren“, sagte er. „Es ist nur eine Woche her.“
„Abgefahren? Unmöglich trifft es schon eher“, erwiderte sie und streckte die Hand aus, um ihn zu berühren. Ihre Finger wanderten sacht über seine Brust und er spürte, wie ein Prickeln in seinem Körper ausschwärmte, sich bis in jede Nervenendung fortpflanzte. Der Saum von ihrem Hemd und die kühlen Knöpfe strichen an seiner nackten Haut entlang. Er holte einmal tief Luft zur Beruhigung und spürte, wie ihre Finger fester drückten, als seine Brust sich hob.
„Wenn du willst, dass ich das Buchregal da runter verfrachte“, sagte er und nahm jedes Quäntchen Selbstbeherrschung zusammen, um einen Schritt nach hinten zu tun, „solltest du mich jetzt besser machen lassen. Oder wir werden das Bett da verwüsten. Vonnie hin oder her.“
Selena trat näher, kam ihm wieder zu nahe. „Ein bisschen ungeduldig der junge Herr, was? Oder habe ich mich da verhört?“ Ihre Hände legten sich auf seine Schultern und sie schaute zu ihm hoch. Ihr Mund kräuselte sich spöttisch. „Siehst du, das ist einer der Vorteile des Alters. Wir älteren Leutchen wissen, wie man Vorfreude genießt. Wir haben mehr Geduld. Wir können–“
Mit einem kleinen, verärgerten Knurren zerrte er eine Handvoll von ihrem Hemd nach oben und riss sie an sich, sein Mund schnitt ihr das Wort ab. Sie kicherte unter seinem Kuss und glitt dann zur Seite, um unten an seinem Kiefer zu nagen.
„Zuerst die Arbeit“, sagte sie, während sie ihre Zunge frech tief in seiner Ohrmuschel kreisen ließ.
„Meine Mutter hatte einen Namen für Leute, wie du es bist“, sagte er und trat zurück. „Satansbraten. Das bist du. Ein Satansbraten.“
„Was ist los, kleiner Mann? Kannst du mit einem alten Mädel wie mir nicht Schritt halten?“
Er hielt dort drüben inne, wohin er sich gewandt hatte, um das Buchregel hochzuheben. „Wart’s ab, Selena. Wart’s ab .“
Das Buchregal war zwar schwer, aber größtenteils nur sperrig und es bereitete ihm keine Probleme, es das schöne, große Treppenhaus runterzutragen, runter zum Vorratsraum – der sich am Ende eben doch im Erdgeschoss befand, viel praktischer. Er stellte fest, dass sie ihn die ganze Zeit zum Narren gehalten hatte und er erwischte sich dabei, wie er abwechselnd lachte und innerlich den Kopf schüttelte über Selena.
Wie konnte eine Frau, die tagtäglich mit Sterbenden zusammen lebte, gelegentlich so einen ausgefallenen, ansteckenden Sinn für Humor haben?
Vielleicht musste sie das haben, um dem Hässlichen und der Trauer, mit denen sie kämpfen musste, entgegentreten zu können.
Aber jetzt ... hatte er fest vor, ihr etwas anderes zum Nachdenken zu geben.
Theo drehte sich zu ihr um. „Und jetzt ... nach der Arbeit...“
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SECHS
„Wie wär’s mit einem bisschen Spaß?“
Selenas Magen ging in Sturzflug-Modus, als er die Tür des Vorratsraumes hinter sich schloss und sich dann dagegen lehnte, als würde ihn nichts von dort wegbringen. Als ihre Blicke sich trafen, rauschten Hitze und Erwartung unbändig durch sie hindurch und – verdammt und zugenäht – ihre Knie fühlten sich an, als würden sie gleich wegknicken.
Sie war kaum in der Lage gewesen ihren Blick von seinem breitschultrigen Oberkörper abzuwenden ... ohne Hemd und glatt, kein Härchen auf seiner olivfarbenen Haut und keine überflüssigen Pölsterchen oder Falten weit und breit. Er war noch schöner, als sie ihn von dem Tag in Erinnerung hatte, an dem sie ihn wieder zum Leben erweckt hatte. Zu leben stand ihm offensichtlich ausgezeichnet.
Sie war sich nicht sicher, wem sie für dieses Geschenk danken musste, aber Selena war nicht der Typ, um Wunder lang zu hinterfragen. In ihrem Leben hatte sie davon schon mehr als andere Menschen erleben dürfen – ebenso wie das Ausbleiben von Wundern.
„Bei mir ist es ein bisschen ungestörter“, erinnerte sie ihn. Er sah aus, als wäre er ihr Stalker ... beobachtete, wartete, was sie als Nächstes
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