Die verratene Nacht
Touchscreen ganz ausfüllte. Und da war Brad Blizek. Die Mauer, genau wie im Zauberer von Oz.
Er sprach in die Kamera hinein, rasch, mit leiser Stimme. Dringlichkeit stand ihm über das ganze, unscheinbare Gesicht geschrieben.
„Wenn ihr das hier seht, dann ist es zum Schlimmsten gekommen. Ich bin tot, denn sie werden mich nicht am Leben lassen, sobald sie merken, dass ich nicht wirklich auf ihrer Seite stehe. Ich bin nicht Teil von ihnen. Sie werden die Welt zerstören.“
Hier stieß Theo einen hörbaren, erleichterten Seufzer aus und in dem Video blickte Brad über seine Schulter nach hinten und verkrümmte seine Schulter etwas, als ob er erwartete, jeden Augenblick unterbrochen zu werden.
„Ich werde so lange reden, wie ich kann, euch so viel mitgeben, wie ich kann, aber wenn ich sie höre, werde ich das hier schließen. Es ist darauf kodiert, sich automatisch auf Nachrichtenstationen hochzuladen, auf YouTube, und auch an mein eigenes LAN.“
Er zuckte zusammen, sein Gesicht wurde noch ernster und dann redete er noch schneller und noch leiser. Theo konnte erkennen, dass seine Hand auf dem Schreibtisch vor der Webcam, die er benutzte, in Position war, anscheinend bereit augenblicklich die Maustaste zu klicken.
Ich habe alles über sie schon vor Jahren herausgefunden. Sie wollten, dass ich beitrete und ich habe so getan als ob. Für fünfzig Millionen. Das Geld war Peanuts, also habe ich es ihnen gegeben, weil ich wissen wollte, was sie vorhaben. Während ich Hardware und Software für sie entwickelte, habe ich mich auch vorsichtig in ihre Systeme eingehackt. Es ist schwer, weil ich keine Spur meiner Anwesenheit dort hinterlassen darf, und auch wenn ich brillant bin, beobachten sie mich. Ich arbeite mit Truth daran, anzufangen Daten zu sammeln, zu versuchen einen Weg zu finden, um das hier zu stoppen. Sie sind stark und haben eine solche Reichweite, dass jeder Versuch, das hier zu veröffentlichen, in restloser Vernichtung resultieren würde, nicht zuletzt mit meinem eigenen Tod. Also versuche ich einen Weg zu finden, mir zunutze zu machen, wie sie–
Ein Geräusch – laut genug, um per Webcam gehört zu werden – und seine Augen wurden riesengroß und er beugte sich näher zum Computer hin, jetzt flüsterte er laut. Das sind sie. Es ist der Kult von Atlantis. Sie wollen Scheiße nochmal diese Insel von Atlantis hochbringen und es wird die Welt zum Umkippen bringen. Sie–
Er schaute rasch hinter sich und dann wurde der Bildschirm schwarz.
„Heilige Mutter Gottes Shit und nochmal Shit.“ Theo starrte den Bildschirm noch ein ganzes Weilchen an, bevor die Haare auf seinen Oberarmen sich wieder beruhigten und hinlegten. Dann spielte er es noch einmal ab. Und noch einmal. Und noch einmal. Das Herz schlug ihm jetzt im Hals und er starrte auf den Bildschirm.
Hätte er das vor fünfzig Jahren gesehen, hätte er es für einen Witz gehalten.
Aber mittlerweile wusste er drei Dinge: Er und Lou hatten Recht gehabt mit ihren Theorien. Brad Blizek war immer einer der Guten gewesen. Und Brad Blizek war ganz eindeutig tot.
----
NEUN
Robert glitt nicht hinüber in das Leben nach dem Tod bis spät am folgenden Morgen, ganze vierundzwanzig Stunden nachdem Selena Theo gesagt hatte, dass sie mit niemandem über ihre Geheimnisse sprach, und fast zehn Tage nachdem Theo wieder auferstanden war.
Trotz ihres übel zugerichteten Körpers war sie den gestrigen Tag über gut beschäftigt gewesen. Sie hielt es mit voller Absicht so.
Ob zufällig oder intendiert, mit Theo hatte sie nicht mehr gesprochen, seit er ihr Schlafzimmer verlassen hatte – mit jenem sehr lauten, vielsagenden Klicken der Tür, die sich hinter ihm geschlossen hatte. Sie hatte ihn nicht einmal gesehen, nur aus der Ferne durch das Fenster, als sie ihn dabei beobachtete, wie er von etwas zurückkehrte, was wohl eine Badeexkursion gewesen war: tropfnass, sein nackter Oberkörper glänzte in der Sonne, jeder Muskel und jede Linie perfekt, auf seiner dunklen Haut, der rote Drachen räkelte sich in der Sonne. Der Mund war ihr wieder wie ausgedörrt und ihr Magen war voller Schmetterlinge und sie drehte sich entschlossen weg.
Das, was ihren Magen so durcheinander gebracht hatte, war nicht so sehr der Anblick seines Körpers, aber der Gedanke wie sehr sie ihn vermisste. Bloß ... vermisste. Sie hatte das Gefühl, dass er sich in ihrer Gegenwart nie wieder wohl fühlen würde nach dem, was er letzte Nacht gesehen hatte.
Überraschenderweise war Selena
Weitere Kostenlose Bücher