Die verschollene Flotte: Die Wächter: Roman (German Edition)
Detail überlegt.«
Geary hatte sich mit Desjanis Familiengeschichte befasst, zumindest mit der offiziellen Seite. Er wusste, dass Tanyas jüngerer Bruder bei seinem ersten Kampf gegen die Syndiks gefallen war; als einer von tausend Soldaten der Allianz-Bodentruppen, die eine fehlgeschlagene Offensive gegen einen Syndik-Planeten unternommen hatten. Ihr Bruder hatte nicht lange genug gelebt, um zu dem Helden zu werden, der er als Kind hatte sein wollen. Ihm war es nicht vergönnt gewesen, all die detaillierten Pläne in die Tat umzusetzen, die er in seiner Kindheit seinen Eltern und seiner Schwester voller Stolz präsentiert hatte. Was konnte Geary in diesem Moment sagen?
Aber Tanya hatte sich schon wieder gefangen, so wie zahllose Male zuvor zweifellos auch. Sie sah ihn an, als sei nichts Außergewöhnliches vorgefallen. Ihr Blick sprach eine deutliche Sprache, die er inzwischen nur allzu gut kannte: Fangen Sie gar nicht erst an. Es gibt nichts, was Sie jetzt dazu sagen könnten, also lassen Sie es einfach bleiben und vergessen Sie das Thema.
»Ich glaube«, sagte Geary schließlich bedächtig, damit ihm keine falsche Bemerkung rausrutschte, »damit könnten Sie recht haben. Ich habe bislang keinen Beweis dafür geliefert, dass ich diesen häufigen und unkonventionellen Angriffen etwas entgegensetzen kann. Vielleicht bin ich darin auch nicht allzu gut. Auf jeden Fall habe ich keinerlei Erfahrung, wie ich damit umgehen soll. Und das, wo unsere Flotte schon genug mit der Überalterung der Schiffe zu tun hat.«
»Die Syndiks spielen nach wie vor auf Sieg. Sie glauben noch immer, sie könnten mit uns fertigwerden. Zum Teil ist das vermutlich auch ein Versuch, uns zu einem Wiederaufleben des Kriegs zu verleiten, damit sie den Rest der Syndikatwelten so noch etwas länger zusammenhalten können. Aber selbst wenn es erneut zum Krieg kommen sollte, brauchen wir nicht damit zu rechnen, dass die Syndiks ihn zu unseren Bedingungen führen werden.«
»Wie lange könnte die Allianz einen Zermürbungskrieg wohl durchhalten?«, fragte sich Geary.
»Die Antwort darauf kennen Sie bereits, und in Jahren oder Monaten gerechnet ist das keine besonders große Zahl.«
Nachdem Tanya ihn nochmals mit viel Nachdruck darauf hingewiesen hatte, dass die Leute ihn unbedingt zu sehen bekommen mussten, war sie gegangen. Er saß noch eine Weile da und dachte nach, während er einfach vor sich hin starrte. Körperliche Wunden, die einen nicht auf der Stelle töteten, ließen sich heutzutage schnell heilen, sodass der Patient anschließend wieder so gut wie neu war. Doch geistige Verletzungen, die Erinnerungen und Ereignisse, die sich im Kopf abspielten, konnten nicht einfach geheilt werden, sondern man musste sie behandeln. Ein Entfernen der Erinnerungen richtete mehr Schaden an, als wenn man sie dem Betroffenen unversehrt überließ. Daher drehte sich die Behandlung auf diesem Gebiet im Grunde um ein Verwalten der Verletzung, nicht darum, sie zu beseitigen.
Während ihrer viel zu kurzen Flitterwochen hatte Tanya ihn einmal mit einem gellenden Schrei aus dem Schlaf geholt, nur um dann darauf zu beharren, dass sie nicht wusste, was den Albtraum ausgelöst hatte. Er selbst wachte von Zeit zu Zeit schweißgebadet auf, nachdem er im Schlaf irgendwelche Ereignisse durchlebt hatte, bei denen es oft um Versagen und den anschließenden Tod ging.
Offiziell war der Krieg zwar vorüber, aber was die Syndiks anging, schien er nur ein neues Erscheinungsbild angenommen zu haben. Was die Männer und Frauen anging, die in diesem Krieg gekämpft hatten, würden sie ihn niemals hinter sich zurücklassen können.
Seufzend stand Geary auf. Er musste mit den Offizieren und den Besatzungsmitgliedern der Dauntless reden, und er musste für eine Nachkontrolle in der Krankenstation vorbeischauen. Vielleicht war es ja wieder der Sprungraum, der an seinen Nerven zehrte. Menschen konnten sich an viele Dinge gewöhnen, aber er kannte keinen, der sich je an den Sprungraum gewöhnt hatte. Aber womöglich war er auch nur so nervös, weil sie bald den Sprungraum verlassen würden, ohne eine Ahnung zu haben, was sie dort erwartete.
Was hatten die Syndiks bei Simur für sie vorbereitet?
Neun
Simur war noch nie ein außergewöhnliches Sternensystem gewesen, und die Kombination aus Krieg und Einrichtung des Syndik-Hypernets hatte keine Aussichten auf eine Besserung seines Status mit sich gebracht. Durch seine Lage nahe der Grenze zur Allianz war das System wiederholt das
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