Die Verschollene Flotte Fluchtpunkt Ixi
ich glaube, es betrifft nicht mich. Ich versuche, eine Erklärung dafür zu finden, wieso Sie Ihren Pflichten gegenüber der Allianz und der Callas-Republik nicht nachkommen, und ich kann nur sagen, dass ich ratlos bin.« Sie saß schweigend da und ließ sich nicht anmerken, was in ihr vorging. »Hat es etwas mit mir zu tun? Sie haben mich seit Ilion nicht mehr angefasst. Ich weiß, wir haben uns nichts versprochen, aber ich verstehe beim besten Willen nicht, was passiert ist, dass sich alles so radikal verändert hat.«
Rione zuckte mit den Schultern und drehte den Kopf zur Seite. »Ich bin ein Miststück, und das wussten Sie von vornherein. Außerdem war es nur etwas Körperliches.«
»Nein, das war es nicht.« Rione sah ihn weiterhin nicht an, während er fortfuhr: »Ich habe es damals gesagt, und ich sage es jetzt auch wieder: Ich unterhalte mich gern mit Ihnen, und ich habe Sie gern um mich.«
»Mir fällt auf, dass Sie mir nicht widersprechen, was die Sache mit dem Miststück angeht.«
»Und Sie versuchen, das Thema zu wechseln.« Er bemerkte ihr Stirnrunzeln. »Hat es was damit zu tun, dass Sie und Captain Desjani sich jedes Mal am liebsten an die Gurgel gehen würden, wenn Sie beide sich im gleichen Raum aufhalten?«
Sie lachte spöttisch. »Was für ein aufmerksamer Mann Sie doch sind. Wären Desjani und ich zwei Formationen aus Syndik-Kriegsschiffen, dann hätten Sie uns schon längst durchschaut.«
Geary weigerte sich, den Köder zu schlucken. »Ich schätze Sie beide, und ich mag Sie beide, wenn auch auf unterschiedliche Art. Und ich respektiere Ihre und Desjanis Denkweise. Darum macht es mich ja auch so rasend, dass ich nicht weiß, warum Sie beide sich seit Ilion zu hassen scheinen.«
Rione sah eine Zeit lang zur Seite, ehe sie antwortete: »Captain Tanya Desjani hat Angst, dass ich dem Mann wehtue, den sie verehrt.«
»Verdammt, Victoria …«
»Ich scherze nicht, John Geary.« Sie seufzte schwer und sah ihn schließlich an. »Strengen Sie Ihren Kopf an!«, forderte sie ihn schroff auf. »Was haben wir bei Sancere an Bord genommen?«
»Eine Menge Dinge.«
»Darunter auch eine überholte, aber umfangreiche Liste der Kriegsgefangenen, die zur Allianz gehören.« Geary erschrak, als er sah, dass Rione leicht zu zittern schien, als sie redete. »Sie wissen, die Syndiks haben schon vor langer Zeit aufgehört, mit uns Listen der Kriegsgefangenen auszutauschen. Sie wissen auch, dass viele, die auf dieser Liste stehen, in der Allianz für tot gehalten wurden. Ihnen sollte klar gewesen sein, dass auf dieser Liste auch Namen von Menschen stehen, deren Tod als sicher angenommen wurde!« Die letzten Worte schrie sie ihm förmlich ins Gesicht.
Dann endlich begriff er. »Ihr Ehemann. Sein Name steht auf der Liste?«
Sie hatte die Fäuste geballt und zitterte unübersehbar. »Ja.«
»Aber Sie sagten, er ist tot.«
»Die, die von dem Schiff entkommen konnten, sagten mir, er sei gestorben!«, brüllte sie, doch Geary wusste, es war nicht gegen ihn gerichtet. Indem sie mehrere Male tief durchatmete, kam sie wieder zur Ruhe. »Aber auf der Liste stehen sein Name und seine Identitätsnummer. Es ist vermerkt, dass er zwar mit schweren Verletzungen, jedoch lebend gefangen genommen wurde.«
Er wartete einen Moment lang, doch sie sagte weiter nichts. »Das ist alles?«
»Ja, das ist alles, John Geary. Ich weiß, die Syndiks haben ihn lebend gefasst, und er war schwer verletzt. Ich weiß nicht, ob er am nächsten Tag noch gelebt hat, und ich weiß nicht, ob die medizinische Behandlung durch die Syndiks ihm das Leben gerettet hat. Ich weiß nicht, ob man ihn in ein Arbeitslager schickte. Ich weiß nicht, ob er danach gestorben ist.« Sie hielt kurz inne. »Ich weiß es einfach nicht.«
Victoria Rione, die sich sonst so gut im Griff hatte, strahlte nun Schmerz aus. Geary ging zu ihr und drückte sie an sich, wobei er ihr Zittern deutlich spüren konnte. »Es tut mir leid. Verdammt, es tut mir leid.«
Ihre Stimme klang jetzt ein wenig erstickt. »Ich weiß nicht, ob er noch lebt oder ob er tot ist. Wenn er irgendwie überlebt und man ihn irgendwo in ein Arbeitslager gesteckt hat, dann sind meine Chancen, ihn jemals wiederzusehen, so verschwindend gering, dass sie praktisch gar nicht existieren. Aber er könnte noch leben. Mein Ehemann … der Mann, den ich immer noch liebe.«
Und erfahren hatte sie das wenige Wochen, nachdem sie zum ersten Mal das Bett mit ihm geteilt hatte. Die gehässige Ironie, die
Weitere Kostenlose Bücher