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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Ackermann
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wusste, was das bedeutete. Insgeheim hoffte sie, dass die anderen nicht das erkannten, was sie nun auf dem Blatt sah. Es war nicht sehr deutlich zu erkennen, dennoch eindeutig. Die drei Männer im Raum starrten sie fragend an.
    Plötzlich richtete sie sich auf. Sie wirkte sehr selbstbewusst. Ihr Blick wanderte vom Commissario zu dessen Kollegen. Peter traute sie sich nicht anzuschauen. Wissend lächelte sie: »Volltreffer! Wachs!« Mehr sagte sie nicht. Der Blick des Kriminaltechnikers verriet ihr jedoch, dass dieser sofort verstand, was geschehen war.
    Commissario Toscanelli fiel es schwer, nicht so irritiert zu wirken, wie er es letztendlich war. »Signora Steimer, können Sie mir, bitte, freundlicherweise mal sagen, was hier eigentlich vor sich geht?«
    »Demaratos, Commissario!«, murmelte der Kriminaltechniker kaum hörbar.
    Yvonne griff das Stichwort auf: »Ja, das hier ist die angewandte Erkenntnis aus der Geschichte von Demaratos. Aufgeschrieben von niemand anderem als von Herodot. Den, so vermute ich mal, werden Sie ja kennen, Signore Toscanelli.«
    Bevor der Commissario auf die Überheblichkeit der Deutschen reagieren konnte, mischte sich der Kriminaltechniker ein. Auch er hatte sich zwischenzeitlich über den Schreibtisch gebeugt und starrte das Blatt Papier mit dem Kaffeepulver an. Anerkennend murmelte er: »Ohne Frage: Wachs! Wie bei Demaratos! Ein uralter Trick. Eine Geheimschrift. Gratuliere, Signora, meine Hochachtung!«
    Ohne auf die Frage des Commissarios zu warten, dozierte Yvonne stolz: »Geheimschriften gibt es schon seit Jahrtausenden. Herodot war einer der ersten, der davon berichtete. In seinem Werk Historien schreibt er unter anderem über den Verlauf des Kriegs zwischen Griechen und Persern. Damals war Xerxes I. König von Persien. Er stellte die größte Streitmacht der Geschichte zusammen, um gegen Athen und Sparta zu ziehen. Ein in Persien im Exil lebender Grieche namens Demaratos bekam die Vorbereitungen für den Überraschungsangriff mit und machte sich Gedanken, wie er seinen Landsleuten eine geheime Nachricht zukommen lassen konnte. Sein Trick ging in die Geschichte ein. Demaratos schabte das Wachs einer Holztafel ab, ritzte seine Nachricht direkt auf die Holztafel, übergoss die Tafel erneut mit Wachs – womit seine Warnung an seine Landsleute nicht mehr zu sehen war – und schmuggelte die verdeckte Nachricht an den Wachen des Perserkönigs vorbei nach Griechenland. Die geheime Information über die Kriegsvorbereitungen wurde entdeckt. Daraufhin rüsteten die Griechen ihre Flotte auf und schlugen bei der Schlacht bei Salamis die Perser vernichtend.«
    »Und was hat dieser historische Ausflug nun mit dieser Karte zu tun?«, unterbrach Commissario Toscanelli Yvonnes Redefluss, weil dessen Geduld inzwischen überstrapaziert war.
    »Nun«, fuhr Yvonne unbeirrt weiter, »aus dieser Geheimschrift entwickelte sich später eine andere – eine, die ohne Zweifel bei dieser Karte angewandt wurde. Jemand hat ein Blatt genommen, es mit Wachs eingestrichen und es mit der Wachsseite auf diese Karte gelegt. Auf der Rückseite des Blattes mit der Wachsschicht hat man dann mit großem Druck etwas aufgezeichnet. Sehen Sie hier: Das Wachs hat sich an den Druckstellen auf die Karte übertragen. Es ist nur noch gegen das Licht zu sehen. Wenn ich jetzt dieses Kaffeepulver oder irgendein anderes feines Pulver über dieses Blatt streue, bleibt das Pulver auf dem Wachs kleben – und die Nachricht wird sichtbar. Bedauerlicherweise hat das Erbrochene das Blatt und den Wachs zum größten Teil aufgelöst. Das erklärt allerdings, warum Wachs im Magen und in der Mundhöhle des Toten gefunden wurde. Leider ist nicht mehr genug von der versteckten Nachricht zu erkennen. Der Tote nimmt sein Geheimnis mit ins Grab.«
    Yvonne genoss die ebenso erstaunten wie auch anerkennenden Blicke der beiden Kriminalbeamten.
    Der Commissario hielt seinen Kopf schräg dicht über die Karte. »Genial…«, flüsterte er. Er sah zu Peter Föllmer, der auf der anderen Seite des Schreibtisches saß. Die Augen des Deutschen hatten einen höchst seltsamen Ausdruck. Wieder beschlich Commissario Toscanelli das unrühmliche Gefühl, als tausche dieser Mann mit seiner Freundin Nachrichten aus. Irgendetwas stimmte hier nicht.
    Yvonne hoffte, dass niemand im Raum ihre Lüge bemerkt hatte. Der Kriminaltechniker schien ihr jedenfalls zu glauben. Sie bemühte sich, nicht nervös zu wirken. Verstohlen schielte sie zu Peter. Ihre Blicke kreuzten

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