Die verschollene Karawane
Deutsche wirklich wusste und was nicht. Gab es zwischen ihm, dieser Afrikanerin auf dem Bild, dem Täter und Charles Bahri eine Verbindung, die über das hinausging, was Peter Föllmer behauptete? Die ganze Angelegenheit war verworren. Geistesabwesend schaute er seinen Kollegen an, der noch immer im Türrahmen stand. »Wieso Kerzen?«
Carlo Ponti kratzte sich am Kopf. »Nun ja, welche andere Erklärung soll es sonst dafür geben, dass der Tote auffällig viel Wachs im Mund und in der Speiseröhre hatte? Sogar im Magen haben wir Wachsreste gefunden. Wir konnten ziemlich genau bestimmen, wann er dieses Wachs zu sich genommen hat: nämlich kurz vor Eintritt des Todes. Aber der Grund dafür ist uns schleierhaft. Ebenso, was wir mit dieser Karte und den Wortfragmenten anfangen sollen. Schade, denn wir hatten schon gedacht, dass es vielleicht eine Schatzkarte ist. Doch selbst wenn, die Karte ist jetzt nicht mehr lesbar. Diesen Schatz wird mit Sicherheit niemand mehr bergen.«
Yvonne hatte die Worte des Kriminalbeamten nur vage wahrgenommen, dennoch richtete sie sich plötzlich auf, blickte fragend zwischen dem Commissario und dem Mann an der Tür hin und her. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, wie Peter sie anstarrte.
»Entschuldigen Sie, dass ich mich einmische, Signore Toscanelli. Habe ich das richtig verstanden? Der Tote aus dem Kloster hatte Wachs im Mund?«
Der Commissario blickte Yvonne Steimer verwundert an. Sie hatte lange nichts mehr gesagt. Der Konflikt zwischen ihr und ihrem Freund hatte eine lähmende Atmosphäre kreiert.
»Carlo…«, hüstelte er, »… war das richtig? Wachs?«
»Ja, Wachs! Es ist ganz eindeutig Wachs. Und zwar von Kerzen in einer Konsistenz, wie sie heutzutage üblich ist.«
Yvonne stand langsam auf und schritt auf den Kriminaltechniker zu: »Kann… kann ich die Karte mal sehen?«
Toscanelli blickte seinen Kollegen fragend an, der mit einem Achselzucken signalisierte, dass dagegen nichts einzuwenden sei. Der Kriminaltechniker öffnete die Akte, holte eine Plastikfolie hervor und reichte sie der Frau mit den blonden Haaren.
Yvonne nahm die Folie entgegen, zog das gelbliche Blatt vorsichtig heraus und betrachtete die Karte gegen das Fensterlicht. Ihre Augen blitzten auf: »Haben Sie Kaffee?«
Ihre Frage erschien dem Commissario so absurd, dass er auflachte: »Tut mir leid, Signora, wir haben im Automaten draußen auf dem Flur nur Softdrinks!«
Yvonne schaute ihn nicht mal an. Ihr Blick haftete noch immer auf der Karte. »Ich meine Kaffeepulver. Ganz ordinäres Kaffeepulver. Fertigkaffee…«
Sowohl der Commissario als auch sein Kollege wollten soeben nachfragen, was sie damit bezwecke, als sie erklärte: »Gehen Sie bitte mal davon aus, dass ich genau weiß, was ich hier tue. Ich bin Buchrestauratorin. Und keine Angst, ich werde Ihr Beweismittel nicht beschädigen.«
Commissario Toscanelli ging wortlos hinter seinen Schreibtisch, zog eine der Schubladen auf, kramte nach längerem Wühlen einen kleinen Beutel Kaffeepulver hervor und hielt ihn Yvonne Steimer entgegen. »Der ist aber mindestens zwei Jahre alt! Wach werden Sie davon nicht mehr«, versuchte er zu scherzen.
Yvonne reagierte nicht darauf. Hoch konzentriert ging sie auf den Schreibtisch zu, legte die Karte darauf und riss behutsam den Kaffeebeutel auf.
Der Commissario und sein Kollege traten schweigend an den Tisch heran und verfolgten gespannt, was die Deutsche tat. Yvonne zitterte ein wenig. Peter saß wie versteinert auf dem Stuhl nahe dem Fenster und starrte sie erwartungsvoll an. Vorsichtig streute sie einen Teil des Kaffeepulvers auf das Papier. Mit Kennerblick hatte sie längst registriert, dass dies kein Blatt aus einem alten Buch war. Es war schnödes Industriepapier mit hohem Holzanteil. Aber sie hatte auch noch etwas anderes entdeckt.
Das Kaffeepulver lag nun als kleines Häufchen auf dem Blatt. Yvonne beugte sich langsam über den Schreibtisch. Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, wie sich der Commissario und sein Kollege mit Achselzucken und Augenaufschlägen verständigten, sie gewähren zu lassen. Im Raum herrschte angespannte Ruhe. Sie konnte ihren eigenen Atem hören. Nur wenige Zentimeter über dem Blatt mit dem Kaffeehäufchen spitzte Yvonne ihre Lippen und blies das Pulver ganz vorsichtig über das Papier. Sorgfältig wiederholte sie den Vorgang. Sie versuchte, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. Tatsächlich! Das braune Pulver hatte sich auffallend unregelmäßig verteilt. Sie
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