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Die verschollene Symphonie

Die verschollene Symphonie

Titel: Die verschollene Symphonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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Ludwig erhielt von seinem Vater eine Tracht Prügel.«
    »Er war ein ziemlich mordlustiger Geselle, was?«, sagte Juda.
    »Werden Sie nicht unverschämt«, erwiderte Galen.
    »Er war ein wenig besessen«, räumte Maddox ein, »besonders, was die finsteren Mythen und Legenden seiner germanischen Vorfahren anbelangte. Diese Leidenschaft war es, die zwangsläufig zu seiner Bekanntschaft mit Wagner führte. Ludwig war achtzehn Jahre alt, als sein Vater krank wurde und kurz darauf, am 10. März 1864, verstarb. Und der jugendliche König bestieg den bayerischen Thron.«
     

     
    »Bereits kurz zuvor war das Leben des Königs unumstößlich mit dem Wagners verknüpft worden«, sagte Galen.
    »Wie hat er von Wagner erfahren?«, fragte Marisa.
    »Lohengrin«, sagte Maddox. »Ludwig war von der Oper begeistert und beschloss, den Komponisten an seine Seite zu holen. Für Wagner wurde König Ludwig II. die Verkörperung seiner schönsten Träume.«
    »So wie die Medicis für Michelangelo«, sagte Marisa.
    »In der Tat«, stimmte Galen zu. »Der König schätzte Wagner, weil es dem Komponisten auf irgendeine Weise gelang, Ludwigs Phantasien Wirklichkeit werden zu lassen.«
    »Gut erkannt«, sagte Maddox. »Etwa einen Monat nach seiner Thronbesteigung lud Ludwig Wagner ein, nach München zu ziehen, und mit Hilfe der überaus großzügigen Unterstützung des Königs wurden Wagners Opern im dortigen Hoftheater aufgeführt. Der König kaufte dem Komponisten ein Haus und finanzierte später den Bau des Bayreuther Festspielhauses und der Villa Wahnfried, Wagners Wohnsitz in Bayreuth. Der König war von seiner Leidenschaft für die Oper besessen und betete den Schöpfer dieser Werke geradezu an. Das wertvollste Geschenk, das Wagner dem König im Gegenzug für seine Bewunderung machen konnte, war die Vollendung seiner Opern.«
    »Seit Ludwigs Gouvernante Sibylle Meilhaus seinen Geist mit Geschichten über Lohengrin beflügelt hatte«, fügte Galen hinzu, »war seine Begeisterung für Wagner ständig gewachsen.«
    »Augenblick mal«, sagte Maddox plötzlich. »Wie lautete noch einmal der Name seiner Gouvernante?«
    »Sibylle Meilhaus. Warum?«
    Maddox schüttelte den Kopf. »Sibylle. Das kann kein Zufall sein. Das muss Z gewesen sein.«
    »Ludwigs Gouvernante? Sind Sie sicher?«
    »Ganz sicher«, erwiderte Maddox.
    »Interessant«, sagte Juda, »dass es selbst damals schon einen Gegenspieler gegeben hat.«
    »Ludwig wurde also von den verschiedensten Seiten manipuliert«, schloss Marisa. »Aber aus welchem Grund?«
    »Die Gründe waren ähnlich, aber die Motive verschieden«, sagte Maddox. »Ich nehme an, die Sibylle hat sein Interesse an den Mythologien geweckt, um ihn für Wagners Werk empfänglich zu machen. Dagegen hatte sein Hauslehrer es darauf abgesehen, die Kontrolle über die Früchte dieses Werks zu gewinnen. Wagner hatte stets Schulden und hat deshalb Ludwigs Güte und Großzügigkeit ohne Zögern ausgenutzt.«
    Galen nickte. »Richard Wagner war ein brillanter Komponist, aber er ist auch ein ziemlicher Schmarotzer gewesen. Sein Privatleben war moralisch zerrüttet – denken Sie nur daran, welchen Einfluss er auf die Ehe seines Freundes Hans von Bülow hatte.«
    »Das ist Ihr großes Vorbild?«, fragte Marisa.
    Galen versteifte sich. »Es steht mir nicht zu, über einen solchen Mann zu urteilen.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, sagte Maddox. »Nach allem, was ich über Sie erfahren habe, gehören Sie wohl zu den wenigen, die das könnten. Wagner hat so viel Druck wie möglich auf Ludwig ausgeübt. Er drohte, ihn zu verlassen, wenn er ihn nicht weiter finanziell unterstützen würde. Er hat sogar Cosima mit dem Auftrag zum König geschickt, um weitere Mittel zu bitten.«
    Galen nickte. »Und er hat sie schließlich auch bekommen. Trotz des Widerstandes der königlichen Familie, vor allem der Königinmutter und des alten Königs Ludwig I., wurde Wagner ein fester Bestandteil des königlichen Hofes. Die einflussreichen Mitglieder des bayerischen Adels waren außer sich. Als Ludwig feststellte, dass sich bereits die gesamte Hauptstadt Bayerns in Aufruhr über die Wagner-Affäre befand, hielt er es für das Beste, wenn der Komponist das Königreich für eine Weile verließ. Ludwig war immer noch von Wagners Aufrichtigkeit überzeugt, wenn auch nicht mehr unbedingt von seiner Klugheit. Die Verehrung des Königs hatte ebenso wenig nachgelassen wie seine finanzielle Unterstützung, und so machte sich Wagner auf den Weg in die

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