Die Verschollenen
Sie blieb stehen, stützte sich mit einer Hand an einem Baumstamm ab und rieb sich mit der anderen den Oberschenkel. Jerry und Becka blieben ebenfalls stehen und drehten sich zu ihr um. Die Geräusche des Stammes kamen immer näher.
»Ich komme klar«, versicherte Shonette. »Wartet nicht auf mich. Lauft weiter.«
»Komm schon«, flüsterte Jerry drängend.
Shonette wedelte abwehrend mit der Hand. »Ich habe doch gesagt, mir geht’s -«
Neben dem Baum, an dem Shonette lehnte, sprang ein dürrer Kryptid aus dem Unterholz und rammte mit der Schulter gegen sie. Die beiden stürzten zu Boden. Shonette landete auf dem Rücken, das Monster auf ihrer Brust. Bevor sie Luft holen konnte, um zu schreien, fuhr es ihr mit den Krallen durchs Gesicht und riss ihr die Augen aus. Die andere Hand schob es in ihren Mund und zerrte an ihrer Zunge.
Becka wollte Shonette zu Hilfe kommen, doch Jerry packte ihren Arm und zog sie zurück. Er schüttelte den Kopf und drückte einen Finger auf die Lippen.
»A-aber …«
Wieder schüttelte er den Kopf, diesmal mit mehr Nachdruck.
»Wir können ihr nicht helfen«, flüsterte er. »Und wenn wir diese Ablenkung nicht ausnutzen, sind wir auch bald tot. Da kommen schon die anderen.«
Wie aufs Stichwort brach der Rest des Stammes auf der anderen Seite des Camps aus dem Unterholz. Shonette stieß einen erstickten Schrei aus, dann riss ihr der Angreifer die Zunge aus. Dunkles Blut quoll aus ihrem zerfetzten Mund. Das Monster schob sich ihre Zunge in den Mund und kaute nachdenklich
darauf herum. Beinahe beiläufig zog es eine Kralle über Shonettes Kehle.
Jerry und Becka warteten nicht ab, sie sterben zu sehen, sondern rannten auf den Pfad.
Beiden liefen Tränen über das Gesicht.
In dem Moment, als die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont glitten, entdeckte Troy den Helikopter. Er riss die Arme über den Kopf und winkte.
»Hey! Hier drüben!«
Der helle Suchscheinwerfer schwenkte in seine Richtung, und Troy zuckte zusammen, als ihn das Licht blendete. Er riss die Hände vor die Augen und fluchte laut. Als der Scheinwerfer wieder abdrehte, zeigte er dem Hubschrauber den Finger. Dann humpelte er zur Landezone hinüber. Zwei dunkle Gestalten rannten auf ihn zu. Eine dritte blieb am Helikopter stehen und suchte mit einem Fernglas den Dschungel ab. Als sie näherkamen, konnte Troy ihre Gesichter erkennen. Er wusste von keinem der beiden den Namen, aber den einen erkannte er, das war der Pilot. Er hatte ihn gesehen, wenn er Roland Thompson zwischen der Insel und dem Schiff hin und her flog. Der andere Mann trug einen Plastikkoffer mit einem großen roten Kreuz darauf. Troy vermutete, dass er ein Sanitäter war. Sie blieben vor ihm stehen.
»Ich bin Kerry«, stellte sich der Sanitäter vor, »und
das ist Quinn, unser Pilot. Gerling, der andere Sanitäter, ist drüben beim Hubschrauber.«
»Guten Tag«, sagte der Pilot und nickte Troy zu.
Troy spuckte Blut in den Sand. »Was soll daran gut sein?«
Kerry legte Troy sanft einen Arm um die Schulter. »Quinn ist Kanadier. Nehmen Sie es ihm nicht übel.«
»Da ist ja nichts Schlimmes dran«, erwiderte Troy. »Rush kommen immerhin aus Kanada. Andererseits kommt die verdammte Celine Dion auch aus Kanada.«
Ohne auf den Kommentar einzugehen, musterte der Sanitäter prüfend Troys Körper. »Sind Sie verletzt?«
»Sehen Sie das ganze verdammte Blut? Was glauben Sie denn?«
»Ich glaube, Sie sind verletzt.«
»Ding, ding, ding! Sie haben den Jackpot geknackt!«
Kerry leuchtete Troy mit einer kleinen Taschenlampe in die Augen und runzelte besorgt die Stirn.
»Verdammte Scheiße, nehmen Sie das blöde Licht weg!«
»Vielleicht sollten Sie sich besser hinlegen, bis ich Sie fertig untersucht habe, Troy. Sie könnten eine Gehirnerschütterung haben.«
»Scheiße, ich muss mich nicht hinlegen«, protestierte Troy. »Ich brauche eine verdammte M-16 oder
eine Uzi. Und dann muss ich von dieser verfickten Insel verschwinden und eine Atombombe anfordern.«
»Wir sind bald von hier weg«, versicherte Quinn. »Ich wollte sowieso gerade zurückfliegen, um mehr Leute zu holen. Die erste Runde bestand nur aus mir, Gerling und Kerry, falls jemand sofort zum Schiff gebracht werden muss. Beim nächsten Mal bringe ich mehr Leute von der Crew mit. Wo sind Ihre Freunde?«
Troy deutete vage Richtung Dschungel. »Da drin.«
»Und wissen Sie, in welcher Verfassung sie sich befinden?«
Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass wir hier
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