Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)
verführen? Was berechtigt sie, UNS, die wir nichts weiter wollen als gesunde und glückliche Leserinnen, auf diese gemeine Weise zu diskreditieren?
Nein, damit bin ich nicht einverstanden. Seit zehn Jahren erlebe ich, wie sehr meine kleine, bescheidene Kolumne Ihnen, liebe Leserinnen, hilft. Sie schreiben mir Briefe – und ich beantworte jeden! Sie machen mir Mut auch dann, wenn sie selbst mutlos sind. Was Sie am wenigsten brauchen, sind die schlechten Ratschläge schlechtgelaunter Frauen. Ist es nicht so? Keine Angst, liebe Leserinnen, am Ende werden wir siegen. Diese Kolumne wird nun zehn Jahr alt, sie wird langsam erwachsen. Und sie wird sich weiterhin für Sie einsetzen, ICH werde mich für SIE einsetzen, mit all meiner Kraft und meiner Erfahrung. Niemand wird das Band, das längst zwischen uns geknüpft ist, zerstören können. Am allerwenigsten ein paar magere Frauen, die gerne »fett« wären, aber noch nicht einmal das auf die Reihe kriegen.
Bis zum nächsten Mal, Ihre Constanze Corzelli, CC für Ihre Freundinnen.«
Geschafft! Constanze Corzelli zwingt den rechten Zeigefinger von Paula Pfaff, den Artikel in der Maske zu speichern. Achtzig Zeilen Wahrheit! Sie möchte schreien vor Freude, doch der Mund von Paula Pfaff bleibt zu. Er öffnet sich erst, als die Redakteurin merkt, dass wieder Ella hinter ihr steht und mitliest.
»Super! Und diese Tussen gibt es wirklich? Das ist doch die Höhe! Aber denen hast du es gegeben!«
Ich erwache wie aus einem Traum. Was ist los? Wer hat das geschrieben? Egal, ich kann es ja noch löschen... Ella klopft mir auf die Schultern. »Das musste einfach mal gesagt werden! Was meinst du, was ich mir manchmal von meinen Ex-Studienkolleginnen anhören muss, wenn sie erfahren, für wen ich was arbeite! Diese Sozialpädagoginnen und Betriebswirtinnen, dabei möchte ich wetten, die lesen auch unsere Zeitschrift, wenn es niemand merkt.«
Ich nicke geistesabwesend. Eigentlich hat Ella Recht. Wir haben es nicht verdient, als Verbrecher bezeichnet zu werden, selbst wenn man über Sinn und Unsinn von Diäten streiten kann. Aber diese fetten Frauen streiten ja nicht, sie verurteilen uns!
Und außerdem, ganz ehrlich: Die Vorstellung, mich jetzt doch wieder über den Rhabarber auslassen zu müssen, jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken.
Jekyll & Hyde, Light-Version
Die nächsten Tage meide ich das Café Meier. Zu viel zu tun. Meine Kolumne hat eine Flut an Leserinnenzuschriften ausgelöst, überwiegend zustimmende Kommentare, einige haben sogar angeregt, eine Gegenseite zu den »fetten Frauen« bei Facebook einzurichten, »Die glücklichen Frauen«. Gestern in der Redaktionskonferenz hat Milkers mein Engagement hervorgehoben, »das nenne ich noch Verbundenheit zum Arbeitgeber!«. Es war mir so peinlich, dass ich einen Hustenanfall simulierte, um aufs Klo gehen zu können, wo ich abwartete, bis der Trubel vorbei war. Ella hat mir später erzählt, Milkers habe meinen Abgang als »vorbildliche Bescheidenheit« interpretiert.
Ich sollte mir ein paar Tage Urlaub nehmen. Der Frühling steht vor der Tür, er ist ein frecher Junge, klingelt und sucht schleunigst das Weite. Als ich die Tür öffne, schneit es. Ibiza soll gerade herrlich sein, sagt Heike von der Reiseseite. Aber für Heike ist gerade alles herrlich, sogar am Südpol würde sie sofort in ihren Bikini springen. Denn sie ist frisch verliebt, wie sie mir glücklich zuraunt, als wir mittags in der Kaffeeküche sitzen und uns eine Scheibe Schwarzbrot teilen.
Nein, nein, beteuert Heike, sie tue es nicht ihrer Figur wegen. Hätte ich nicht in meiner Kolumne geschrieben, Schwarzbrot sei gesund? Hm... da muss ich mal nachschauen.
»Meine Figur interessiert mich nicht mehr!« behauptet Heike, »Ich glaube, ich hab grade den Mann fürs Leben gefunden! Stell dir das mal vor!«
Ich stelle es mir vor und bemühe mich, kein düsteres Gesicht zu machen.
»... und weißt du was? Er liebt mich so wie ich bin!«
Sie kneift sich in den Bauch und ein kleines Fetthügelchen wölbt sich zwischen ihren Fingern.
»Behalte das für dich, das ist geschäftsschädigend«, entgegne ich lächelnd. »Wo kämen wir denn hin, wenn die Frauen plötzlich nur noch Männer fänden, die keine Zwillingsschwester von Heidi Klum als Gefährtin wollen.«
Heike lacht. »Och, ich glaube, die Heidi würde meinem Richard nur Angst machen. Er liebt mich, weil ich so normal bin, sagt er.«
Verrückter Kerl, denke ich, sage es aber nicht. Stimmt schon.
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