Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)
nie schön gewesen. Aber auch nicht hässlich. Ich sehe – nett aus. Und damals, mit 34, sowieso. Nicht gertenschlank, normalgewichtig eben, eine Frau mit Kleidergröße 38, die zur Not auch in 36 kriechen konnte, ohne wie eine Wurst auszusehen. Oder doch wenigstens wie eine leckere Wurst. Schöne Zeiten, ferne Zeiten.
Milkers hatte es mir dann erklärt. »Constanze Corzelli ist eine Marke, meine Liebe, verstehen Sie? Kein Mensch aus Fleisch und Blut, nichts, das altern oder sich sonst wie verändern darf. Und was tun wir, wenn Sie eines Tages die Kolumne nicht mehr schreiben? Wenn Sie keine Lust mehr haben oder uns verlassen? Dann müssten wir das Bild austauschen! Was glauben Sie, wie das unsere Leserinnen in existentielle Krisen stürzen würde!«
Ich verstand das. Man kaufte bei einer Fotoagentur das Bild eines jungen, superschlanken australischen Models, eines Mädchens, dessen Namen ich niemals erfahren werde und das selbst niemals wissen wird, dass es in Deutschland als »Diätpäpstin Constanze Corzelli« seit exakt zehn Jahren die beste Freundin der mit Kilos reich gesegneten Frauen ist. Stattdessen erscheint sie alle zwei Wochen auf Seite 14 und lächelt, lächelt für immer und ewig – und altert nie. Im Gegensatz zu mir.
Die erste Kolumne wurde die längste meines Lebens. Ich verbrachte Stunden mit den Formulierungen, die Sätze verfolgten mich überall hin, bis ich – nach genau 80 Zeilen – endlich ein Punkt setzen konnte. »Die Traumfigur – und warum sie kein Traum bleiben muss«. Die Überschrift gefiel.
Wir haben unser Versprechen gehalten. Die Traumfigur ist kein Traum geblieben, sie ist ein Albtraum geworden. Millionen von Kalorien haben uns den Krieg erklärt und bombardieren uns mit Fettzellen, süße Zuckerschlangen versuchen uns und vertreiben uns aus dem Paradies des idealen Body-Mass-Index. Doch noch gibt es Hoffnung! Constanze Corzelli, die Heilige Johanna der Übergewichtigen, zückt ihr Schwert und tritt dem Feind mutig entgegen! Die Kiwi-Diät! Die Blumenkohl-Diät! Die Ich-esse-nach-achtzehn-Uhr-nichts-mehr-Diät!
Alle zwei Wochen ist jene Seite 14 die erste, auf die sich unsere von Dickmachern gebeutelten Leserinnen stürzen, sie betrachten das schöne bunte Bildchen und wundern sich, dass schnöde Sojapampe so unsagbar lecker aussehen kann. Nun ja, wir haben einen prima Fotografen und das beste Bildbearbeitungsprogramm der Welt.
Zehn Jahre, in denen viel passiert ist. Meine Kleine ist inzwischen größer als ich, eine siebzehnjährige Gazelle mit pubertären Launen und einem Magen, der alles verdaut und dafür sorgt, dass sich kein Gramm Fett im Körper als Dauermieter einnisten kann. Ich selbst bin jetzt Mitte Vierzig, in der Redaktion etabliert, sogar Daniela Hungerbühler wagt es nicht mehr, mich offen zu attackieren.
Nur manchmal, wenn sie glaubt, ich bemerke es nicht, lächelt sie hämisch. Immer dann, wenn ich morgens vor dem Kleiderschrank gestanden und mich für ein Kleid in Größe 38 entschieden habe, obwohl mir mein Verstand sagt, es sollten doch wenigstens 40 sein. Aber seit wann hört eine Frau auf ihren Verstand? Sie ist froh, dass sie einen hat, schließlich unterscheidet sie das vom Mann. Außerdem ist es gesund, acht Stunden am Tag den Bauch einzuziehen. Ob das wissenschaftlich erwiesen ist? Nein. Aber Constanze Corzelli schwört darauf.
Sex und Rhabarber
»Sag mal, Ma, wie ist das eigentlich – ein Leben ohne Sex?«
Ich traue meinen Ohren nicht. Habe ich das gerade richtig verstanden? Meine Tochter Alina kaut den Rest ihres opulenten Frühstücks, was sie noch nie daran gehindert hat, etwas zu sagen. Schließlich beherrschen Frauen Multitasking.
»Wie bitte?«
Sie wiederholt die Frage und greift nach einem weiteren Brötchen.
»Na, interessiert mich halt. Schließlich hast du seit mindestens fünf Jahren keinen Typen mehr angeschleppt, ich vermute also, du bist durch mit dem Thema Sex.«
»Dafür steckst du mittendrin. Wieviel waren es vorige Woche? Drei? Oder habe ich einen übersehen?«
Alina denkt ernsthaft nach und nickt dann. »Ja, drei glaube ich. Aber alles furchtbare Enttäuschungen. Außerdem binde ich mich sowieso nicht fest, erst wenn ich alt bin. Fünfundzwanzig oder so.«
Mit fünfundzwanzig habe ich geheiratet. Nicht den Zweit- oder den Drittbesten, sondern den Erstbesten.
»Sechs«, sage ich knapp.
»Sex?« echot es zurück.
»Nein, die Zahl, nicht die Tätigkeit. Ich habe seit sechs Jahren keinen Typen mehr angeschleppt, wie
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