Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)
Gipfel der Harmlosigkeit, uns gegenseitig Fotografien unserer Töchter gezeigt. Seine Alina ist ein semmelblondes Mädchen mit süßer Zahnspange. Gut in der Schule, gelegentlich zickig (versteht sich von selbst in diesem Alter) – und furchtbar eifersüchtig. Das wird sich ändern. Spätestens in drei Jahren ist sie genauso eine Kupplerin wie meine Alina.
Die schaut mich grübelnd an. Woran denkt sie wohl gerade? An das ersehnte Brüderchen? Daran, wie alte Leute Sex machen? Ob sie das Licht lieber löschen oder der traurigen Wahrheit welkender Körper mutig ins Auge sehen?
Ich gebe zu, dass ich heute Morgen eine Zeitlang nackt vor dem Spiegel gestanden und mir überlegt habe, wie Rasmus reagieren wird, wenn er mich so sieht. Nackt, mit all meinen kleinen schwabbeligen Geheimnissen, Constanze Corzelli, die Idealgewichtige, auf Paula Pfaff, die nicht ganz so Idealgewichtige zusammengeschrumpft. Normalerweise hätte allein diese Vorstellung genügt, meine Stimmung in den Keller zu schießen. Aber, oh Wunder, es hat mir nichts ausgemacht. Na ja, ich will ehrlich sein: kaum etwas. Und nein, wir werden das Licht nicht ausmachen. Jedenfalls nicht gleich.
»Liebst du ihn eigentlich?«
Die ultimative Frage, ich habe sie befürchtet.
»Würdest du jemanden küssen, den du nicht liebst?« frage ich keck zurück. Das bringt meine Verhörexpertin kurz aus der Fassung.
»Hm, nein. Also ja. Ich meine... ein Kuss ist doch nur so eine Art... also das ist, als wenn du bei Amazon etwas in den Warenkorb legst. Du hast es noch nicht gekauft und kannst es wieder löschen.«
Ich bin baff. So genau hat mir das noch niemand erklärt.
»Ich möchte aber gerne kaufen«, sage ich.
»Ja klar. Außerdem gibt es Rückgaberecht. Sogar ohne Angabe von Gründen.«
Jetzt lachen wir beide. Die hochpeinliche Befragung scheint beendet. War gar nicht so schlimm.
»In welche Schule geht sie eigentlich?«
»Wer?«
»Na, seine Alina.«
Aha, zu früh gefreut. Aber soll ich mein Töchterlein anlügen? Außerdem kommt die schreckliche Wahrheit früher oder später sowieso an den Tag.
»In die, in die du auch gehst«, antworte ich betont unaufgeregt.
»Oh! Mein! Gott! Sag, dass das nicht wahr ist!!!«
Ist es aber. Ich ziehe fatalistisch die Schultern hoch und lasse sie wieder sinken.
»Okay, okay, Ma. Dann soll er ihr beibringen, dass sie mir NICHT in der großen Pause wie ein Hündchen nachlaufen und mich große Schwester nennen soll! Das macht Cindys kleine Schwester nämlich – und es gibt nichts Peinlicheres.«
Ich verspreche es, die lebenswichtige Information sogleich an Rasmus weiterzugeben.
Wir frühstücken zu Ende und machen uns fertig. Im Auto hüllt sich die Inquisitorin in beredtes Schweigen. Gibt mir ein Küsschen, bevor sie aussteigt, geht langsam über den Pausenhof, dreht sich noch einmal um, winkt mir zu.
Ich fahre ins Büro. Meine Stimmung, heute Morgen noch so prächtig, weiß nicht so recht, ob sie in den Keller soll oder doch lieber zurück auf den Speicher – oder wenigstens in den dritten Stock. Stimmungsschwankungen. Wechseljahre?
Der Deckel fliegt vom Topf
Auf die Arbeit kann man sich verlassen. Sie sorgt garantiert dafür, dass die gute Laune, mit der wir das Büro betreten, innerhalb kürzester Zeit verfliegt. Zum Beispiel, wenn uns eine Frau Hungerbühler anschaut, als wären wir Pest und Cholera (und überhaupt alle Krankheiten) in einem. Und wenn Ella, als wir ihren Schreibtisch passieren und (immer noch strahlend) »Guten Morgen!« wünschen, uns komplizinnenhaft zuzwinkert. Dann wissen wir: Es stimmt mal wieder etwas nicht. Und dann schalten wir den Rechner ein, warten, bis das Ding hochgefahren ist – und Ella steht hinter uns. Habe ich schon gesagt, dass ich das hasse?
»Na? Wie war's gestern Abend noch so?«
Sie stellt ihre Frage mit der Gewissheit, dass es gestern Abend natürlich noch ganz toll gewesen sein muss. War es ja auch. Nur: Woher weiß Ella das?
»Hast mich nicht gesehen, hm? Na, verstehe ich. Du hast ja nur Augen für ihn gehabt. Im Lokal. Wir haben in der Ecke gesessen.«
Wir? Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Luft anhalten oder hyperventilieren soll.
»Rüdiger und ich. Rüdiger ist beim Finanzamt.«
Aha. Und was bedeutet das? Schlechten Sex? So sieht Ella, wenn ich sie mir genauer anschaue, nicht gerade aus. Fehlt nur noch, dass sie sich »Ich hatte gestern Nacht atemberaubenden Sex!« auf die Stirn tätowiert hätte.
»War schön«, sage ich knapp. Ella kichert.
»Klar,
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