Die Verschwörung der fetten Frauen (German Edition)
gibt es nicht. Also fotomäßig. Also doch. Dieses australische Model.«
»Weiß ich.«
»Klar, weißt du. Aber du kannst ja kaum in diese Talkshow da reingehen und der Moderator sagt: Das ist Constanze Corzelli und dann bist es halt du und nicht das australische Model. Ist logisch.«
Im Moment ist nur eines logisch: dass ich gleich verrückt werde. Foto? Talkshow? Ganz langsam schwant dem guten Ludwig, dass ich von nichts weiß. Er klärt mich auf.
»Also. Milkers war vorhin hier und hat mich beauftragt, ein Foto von dir zu machen. Und gegen das von diesem australischen Model auszutauschen. Er selbst will dann einen großen Bericht schreiben und erklären, warum Constanze Corzelli eigentlich Paula Pfaff heißt. Wegen der Presse, ja? Es gibt Interviewanfragen. Den Kollegen ist der ganze Trubel im Internet nicht entgangen. Und eine Talkshow hat auch schon angefragt. Großer Showdown. Du und diese Sabine Müller.«
Mir wird schlecht. Schwarz vor Augen. Ich wanke bedenklich.
»Ist was?« kreischt Ludwig fast panisch. Was soll denn sein? Meine Existenz geht gerade den Bach runter. Paula Pfaff, das Gespött von halb Deutschland. Nein, ganz Deutschland! Plus Österreich und Schweiz. Paula Pfaff, die in einer Talkshow mit Sabine Müller und Constanze Corzelli sitzt und aus Kostengründen beide Rollen übernimmt. Nein, nein, mir geht es prima, Ludwig. Ich sterbe nur gleich.
»Ich muss sofort zu Milkers« bringe ich mühsam heraus und halte mich am Schreibtisch fest.
»Der ist schon wieder weg«, verkündet Ludwig die Hiobsbotschaft. »Irgendeine Konferenz, Frauenzeitschriften im Wandel der Zeit und vor den Herausforderungen der Moderne oder so. Soll ich dir ein Wasser bringen? Bist du etwa schwanger?«
Kann man so sagen. In mir wächst etwas heran. Eine Katastrophe. Irgendwie schaffe ich es zurück in mein Büro, auf meinen Stuhl. Bis Montag habe ich Galgenfrist. Und dann...
Pest, Cholera und der ganze Rest
Das Beste an Freitagen ist der frühe Feierabend. Das Schlechteste an diesem Freitag ist, dass jede Minute mindestens fünf zu dauern scheint. Die Uhrzeiger schleppen sich träge über ihre Runden, und wenn ich es mir recht überlege, tun sie mir sogar einen Gefallen damit. Galgenfrist. Kommt mir vor wie bei Zahnarztterminen, wenn man sich eine Stunde vorher wünscht, die Zeit würde ganz einfach einmal streiken. Leider gehört sie keiner Gewerkschaft an.
Ich beantworte Post, lektoriere die Artikel einiger freier Mitarbeiterinnen, beobachte die Hungerbühler, deren Gesicht aussieht als hätte es gerade eine Zitrone im Mund und tue so, als sei das Internet noch nicht erfunden worden. Dort wartet man auf den nächsten Schlagabtausch zwischen Constanze und Sabine, den Schlammcatcherinnen im Dienste der geplagten Frau. Aber es wird ihn nicht geben, Punkt. Sabine wird so schnell von der Bildfläche verschwinden wie sie dort aufgetaucht ist, Constanze kriecht zurück in ihre Kolumne und bleibt dort bis zur Rente. Ich, Paula Pfaff, will es so! Von den fetten Frauen entfreunde ich mich (schönes Wort!), das Café Meier verliert eine Kundin. Die Lasagne dort ist eh zu fett und Elvira wird auch immer unfreundlicher.
Endlich, drei Uhr. Ich bewundere Menschen, die diesen eingebauten Schalter haben, mit dem sie kinderleicht zwischen Arbeit und Freizeit umschalten können. Die, sobald sie das Büro verlassen haben, andere Menschen werden, ein anderes Leben führen, die Probleme der Arbeit abstreifen wie die Unterhose von gestern. Ich kann das nicht. Es gibt gute Gründe dafür.
Montag, 9 Uhr, Redaktionskonferenz. Milkers wird stolz vor die versammelte Mann- und Frauschaft treten, sich räuspern und mit der Stimme eines Predigers verkünden, es sei Zeit für die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Er wird ein Manuskript aus der Aktentasche ziehen (wahrscheinlich hat er das ganze Wochenende daran gefeilt) und vortragen, warum Constanze Corzelli ab sofort Paula Pfaff sein wird. Ich will mir den Schmalz lieber nicht vorstellen. In Medienredaktionen werden immer diejenigen Chefs, die nicht gut schreiben können, weil sie das als Chefs auch gar nicht müssen. So gesehen hat Daniela Hungerbühler noch eine große Karriere vor sich.
Meine Hoffnung, dass sich bis Montag der ganze Aufstand beruhigt und Milkers seine Meinung geändert hat, ist minimal. Etwas Weltbewegendes müsste passieren, Frau Merkel bekennen, dass die Sparkonten doch nicht so ganz sicher sind (okay, das weiß sowieso jeder) oder Dieter Bohlen müssten beim
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