Die Verschwörung des Bösen
erst mal und iss etwas. Danach musst du aufschreiben, welche und wie viele Fleischstücke wir heute Morgen zerlegt haben.«
Iker lernte nun die verschiedenen Körperteile des Rinds kennen: das Filet und das falsche Filet, die Milz und die Leber, die Innereien und die übrigen Stücke. Er hielt die Berichte der Tierärzte schriftlich fest, die das Blut eines jeden Tiers untersuchten, ehe sie es für rein erklärten. Allmählich gewöhnte er sich an die seltsame Stimmung dieses Orts, an dem strengste Vorschriften zur Reinlichkeit herrschten. Beim Schlachten selbst war der junge Mann aber nie zugegen. Dazu waren mindestens vier Fachmänner und der Metzgermeister nötig, der die Tiere als Einziger töten durfte, um ihre Qualen abzukürzen.
Zwischen Iker und den Handwerkern entstand so etwas wie Vertrauen und gegenseitige Anerkennung. Er benahm sich nicht kleinlich und bemühte sich, sie nicht in Verlegenheit zu bringen; sie waren dafür etwas weniger grob.
Eines Abends, nach einem langen Arbeitstag, setzten sich der Meister und der Schreiber gemeinsam an den Tisch, tranken Bier und aßen Dörrfleisch.
»Wo hast du deinen Beruf gelernt?«, wollte der Mann wissen.
»Im Gazellengau und später in Kahun, wo ich auch zeitweiliger Priester von Anubis wurde.«
»Anubis, der Schakal… Er reinigt die Wüste, indem er sie vom Aas befreit, das er in lebendige Energie verwandelt. Jetzt wunderst du dich wahrscheinlich, aber auch ich bin Priester, wie jeder Metzgermeister, denn das Schlachten muss als Ritual vollzogen werden. Mein Herz und meine Hand dürfen keine Grausamkeit kennen. Ich danke dem Tier, dass es uns sein Leben schenkt, um das unsere zu verlängern. Und die Priesterinnen der Hathor weihen unsere Arbeit, die im Übrigen nicht ganz ungefährlich ist.«
»Meinst du das schwer einschätzbare Verhalten der Tiere?«
»Nein, die können wir mit Seilen festbinden. Ich meine die Auseinandersetzung mit dem Furcht erregenden Seth.«
»Zu welchem Zeitpunkt findet sie statt?«
»Immer wenn wir die linke Vorderpfote berühren, sie enthält am meisten von seiner Macht. Schau dir den Himmel an, da kannst du sie sehen (gemeint ist der Große Bär). Die Ritualisten zeigen diese Pfote an der Tür zum Jenseits vor, damit sie sich öffnet und die Seelen der Wiederauferstandenen einlässt. Wenn der Ritus nicht vollzogen wurde, wird sie verschlossen bleiben, und Seths Feuer kann unser ganzes Land verschlingen.«
Diese neuen Erkenntnisse erstaunten Iker.
»Wenn die Seelen der Pharaonen in den Sternen wohnen, die um den Polarstern wandern, stehen sie dann auch unter Seths Schutz?«
»Sie nähren sich von seiner Kraft, so wie sich der herrschende Pharao von den Speisen nährt, die ich ihm bringe.«
»Du… Du kennst den Pharao?«
»Kennen ist vielleicht zu viel gesagt, aber ich habe tatsächlich das Recht, ihn einmal in der Woche zu sehen, wenn er sich in Memphis aufhält. Heute möchte er allein zu Abend essen. Mein Helfer und ich bringen ihm später ein besonders nahrhaftes Fleisch.«
Jetzt wusste Iker endlich, wie er in die Nähe des Pharaos gelangen konnte. Er musste nur ganz ruhig bleiben und weder Ungeduld noch allzu überschwängliche Begeisterung zeigen.
»Das ist eine große Verantwortung… Seine Majestät darf man doch nicht enttäuschen!«
»Deshalb muss ich meine Sache besonders gut machen.«
»Es heißt, der Pharao sei ziemlich unbequem.«
»Das kann man wohl sagen! Er ist ein Hüne von Gestalt, und niemand kann seinen Blick aushalten. Wenn er spricht, dringt seine ernste Stimme bis zu deiner Seele durch, und du fühlst dich armselig. Und dann ist da noch diese beinahe übermenschliche, anscheinend durch nichts zu erschütternde Ruhe. Von seiner Ausstrahlung ganz zu schweigen… Die Weisen, die ihn zum Pharao erwählt haben, haben sich nicht getäuscht.«
»Zum Glück steht er unter besonderem Schutz«, wagte sich Iker vor.
»Angesichts der Sicherheitsvorkehrungen, die Sobek für ihn getroffen hat, hat Sesostris wirklich nichts zu befürchten! Nur bekannte Personen dürfen bis zu ihm vordringen. Selbst mein Helfer und ich werden immer mehrere Male durchsucht, ehe wir seine Gemächer betreten dürfen.«
Aus Angst, der Metzgermeister könnte Argwohn schöpfen, wechselte Iker lieber das Thema. Wusste er nicht auch schon jetzt genug, um einen Plan auszuhecken, der nicht ganz aussichtslos war?
»Viele Leute befürchten, es könnte zu einem Krieg im syrischen Palästina kommen. Was meinst du dazu?«
»Das glaube
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