Die Verschwörung des Bösen
Königlichen Siegelträgers herausstellen.«
»Ich mag nicht mehr«, erklärte Olivia mit verächtlicher Miene. Gergu glaubte, sich verhört zu haben. »Was redest du da?«
»Ich bin Tänzerin von Beruf. Ich habe jetzt ein schönes Haus und einen Diener und kann mich ganz meiner Kunst widmen. Ich möchte nicht länger in deine Machenschaften verwickelt werden.«
»Ich glaube, du bist nicht ganz bei Verstand, Mädchen. Hast du etwa unseren Vertrag vergessen?«
»Ich habe meine Arbeit gemacht.«
»Noch nicht ganz! Heute Nacht musst du noch zum NeithTempel gehen, dich wenn nötig als Priesterin ausgeben und mir den Schatz zusammen mit einem Freund bringen, den ich dir hiermit vorstellen darf.«
Olivia musterte Nussknacker abschätzig. »Er gefällt mir nicht.«
»Er muss dir ja auch nicht gefallen. Aber er wird dir heute helfen und dir jeden Ärger vom Leib halten.«
»Lass mich endlich damit in Ruhe, Gergu.«
»Wie du willst, meine Kleine. Aber zähle nicht auf mich –
ich hole dich dann nämlich nicht aus dem schmuddeligen Bierhaus am Stadtrand von Memphis, wo du den Rest deines armseligen Lebens zubringen wirst.«
Olivia bekam es plötzlich mit der Angst und klammerte sich an den Arm ihres Beschützers. »Du machst doch nur Spaß, oder?«
»Mein Herr kann es nicht leiden, wenn man ihn verrät. Du wirst aus der Tanztruppe fliegen, und keiner wird mehr deine Dienste verlangen… höchstens ich.«
Sie trat einen Schritt zurück. »Also gut, ich gehorche. Aber versprich mir, dass du mich dann endlich in Frieden lässt.«
»Versprochen.«
Dass Nussknacker seit so vielen Jahren den Ordnungshütern entkommen war, verdankte er seiner untrüglichen Ortskenntnis und seiner Vorsicht. Deshalb war er auch wie ein ganz gewöhnlicher Gaffer lange in der Umgebung des Tempels herumgestreunt, ehe er Olivia holen ging. Die Steinmetze arbeiteten bis zum Sonnenuntergang, dann erfolgte der erste Wachgang der Ordnungshüter.
Nussknacker konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. In derselben Art und Weise schlich er dann erst eine Weile um Olivias Haus herum, aber auch hier wirkte alles ruhig und friedlich. Schließlich machte er das verabredete Klopfzeichen an der Tür.
Die junge Frau öffnete ihm in einem schlichten grünen Kleid. Am Hals trug sie ein Amulett in Form von zwei überkreuzten Pfeilen – dem Symbol der Göttin Neith.
»Du schaust so brav und bescheiden aus, dass man dich glatt für eine Priesterin halten könnte.«
»Erspar mir solche Bemerkungen.«
»Na na, so eilig haben wir’s auch wieder nicht. Hast du nicht Lust, dich ein bisschen von mir verwöhnen zu lassen?«
»Nein, wirklich nicht.«
»Du weißt gar nicht, was dir da entgeht!«
»Ich werd’s schon überleben.«
»Wir gehen nicht nebeneinander, du folgst mir mit einigem Abstand. Wenn ich anfange zu laufen, gehst du wieder nach Hause. Das heißt dann, ich habe Störenfriede entdeckt. Wenn dir irgendetwas verdächtig vorkommt, fängst du an zu summen und änderst die Richtung.«
Doch sie gelangten ungehindert zum Tempel.
Als sie an der kleinen Seitentür ankamen, benutzte Nussknacker seinen Schlüssel.
»Er passt… Komm schnell.«
Sie kam angelaufen und betrat als Erste das Gebäude, in dem es nach Weihrauch duftete.
Die Säulenhalle wurde von einem Dutzend Öllampen schwach erleuchtet, aber die Opfertische waren leer. An den Wänden standen Gerüste.
»Wir müssen zum Allerheiligsten«, sagte Nussknacker leise.
»Ich habe aber Angst.«
»Angst wovor?«
»Vor der Göttin! Mit ihrem Pfeil und Bogen kann sie auf Eindringlinge zielen.«
»Ach was, hör mit dem Unsinn auf, Mädchen«, brummte er und schubste sie vorwärts.
Als sie an die Schwelle zur letzten Kapelle kamen, sprach sie plötzlich eine weibliche Stimme an.
»Was wollt ihr hier?«
Nussknackerdrehte sich um und entdeckte eine alte Priesterin, die so klein und schwach war, dass sie ein Windstoß
hätte umwerfen können.
Olivia tat ergriffen und verneigte sich vor ihr. »Ich bin eine Dienerin der Göttin und vom Land gekommen, um sie zu begrüßen.«
»Um diese Zeit?«
»Mein Schiff fährt morgen sehr früh zurück.«
»Wie bist du hier hereingekommen? Und wer ist dieser Mann?«
»Mein treuer Diener. Wir sind durch den Seiteneingang gekommen.«
»Dann hat der Wächter wohl vergessen, ihn abzuschließen. Hast du denn die Worte von Neith, der Schöpferin der Welt, bei dir?«
»Ich trage sie in meinem Herzen.«
»Nun, dann besinne dich, mögen ihre sieben Worte
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