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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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es aufgerollt werden konnte, steckten silberne Gehäuse mit Glöckchen, und vorn, an silbernen Ketten, hingen goldene Schilde mit bunten Edelsteinen.
    Alles verlief vor Henris Augen so innig und sehnsüchtig, wie er es nur selten in einer christlichen Kirche erlebt hatte. Und wieder stiegen die Stimmen der drei Sänger bei einem schönen Psalm empor wie Blumen und Blätter der Kapitelle, die aufzublühen schienen. Das Pergament wurde aufgerollt, und der Vorsänger las die Geschichte von der Versuchung Abrahams.
    Henri blickte sich um. Er sah die blassen Gesichter der Frauen hinter der Scheidewand zur Weibersynagoge; nicht wenige Blicke trafen ihn, den stattlichen Fremden, den sie nicht kannten. Aber sie gafften nicht, sie schauten nur freundlich und schüchtern, trotz ihrer Neugier.
    Henri blieb einfach neben dem Eingang stehen. Er musste sich jedoch den Pelz ausziehen, der in der Wärme dampfte. Die Fellmütze hatte er schon beim Eintritt vom Kopf genommen und eine mitgebrachte flache Kappe auf sein Haar gelegt. Der Vorbeter stimmte nun das Achtzehn-Gebet an. Alle sprachen es mit, jetzt stehend und die Gesichter gegen Osten gewendet. Und dann durfte auch Henri sich zu Wort melden.
    Es war üblich, dass alle Anwesenden, die einer großen Gefahr entronnen waren, nach der Verlesung der Gesetzabschnitte vortraten und der göttlichen Vorsehung dankten. Henri war es ein Bedürfnis, sich diesen Menschen anzuvertrauen, er erzählte im aramäischen Dialekt, wie in seiner Wahlheimat nur wenige der Verhaftung durch die Inquisition entgangen waren, wie seit einem geschlagenen Jahr die Juden verfolgt und vertrieben wurden. Und wie das Gerücht Nahrung erhielt, auch die Tempelritter sollten nach den Juden nun zur Verantwortung gezogen werden.
    Die Betenden in der Synagoge blickten ihn entgeistert an. Ein französischer Tempelritter unter ihnen! Sie wussten anscheinend nicht, wie sie diese Tatsache beurteilen sollten. Hatten die Ritter nicht im Heiligen Land Juden gejagt und Jerusalem, das goldene Heiligtum von Juden und Muslimen, an sich gerissen? Aber Theophil hatte Henri sofort erkannt. Er eilte auf ihn zu und umarmte ihn. Und schon war Henri in ihre Mitte aufgenommen.
    Das gemeinsame Gebet wurde beendet und die Samthülle des heiligen Buches von allen geküsst. Dann verstaute man es wieder. Allmählich zerstreute sich die Gemeinde.
    Theophil war eigentlich ein christlicher Gelehrter gewesen, der dann den jüdischen Glauben angenommen hatte. Er wurde von beiden Glaubensrichtungen respektiert, wenn auch die Christen nie ganz ihren Argwohn verloren hatten. Nach dem Ende des Gottesdienstes nahm er Henri mit in sein Haus.
    Theophil hatte sich eines Tages entschlossen, freiwillig ins Judenghetto umzuziehen, und bewohnte eines der ältesten Häuser. Er besaß auch eine Frau, die selbst Jüdin geworden war. Alma war eine imposante Erscheinung. Sie trug einen weit ausgebauschten Rock aus weißem Atlas, in den alle Tierarten der Arche Noah eingestickt waren, einen Wams aus Goldstoff, Ärmel aus rotem Samt, gelb geschlitzt, auf dem Kopf eine hohe Mütze und eine Kette, an der Schaupfennige und andere Seltsamkeiten hingen. Alma begrüßte Henri mit warmer Herzlichkeit. Sie fragte ebenso wenig wie ihr Gatte nach dem Grund seines Aufenthaltes in Speyer und wies ihm eine Schlafkammer zu. Henri war müde und verabschiedete sich wenig später zur Nacht, denn der Ritt durch den Winter hatte ihm zugesetzt.
    Am nächsten Morgen begleiteten ihn seine Gastgeber durch die Stadt. Während sie herumgingen, erzählte Henri von dem zunehmend beschwerlichen Leben in Frankreich.
    Henri wusste wohl, dass Speyer vor zweihundert Jahren, als Jerusalem von den Sarazenen erobert worden war, als neuer Mittelpunkt der Welt errichtet wurde, mit einem Dom, der größer sein sollte als der Tempel Salomos. Er staunte dennoch nicht schlecht über das bunte Treiben an den Ufern des Rheins. In einer endlosen Schlange fuhren Schiffe mit bunten Wimpeln vorbei, Kisten, Ballen und Fässer wurden ausgeladen, auf kleinen Fahrzeugen an Land gebracht und verstaut. Von den Barken kam Geschrei, die Kaufleute stimmten mit ein, und das Brüllen der Zöllner, die in roten Röcken, mit weißen Zollstäbchen in Händen von Boot zu Boot hüpften, tat ein Übriges.
    Alma hatte Henri untergehakt und zeigte auf alles. Da der Tag sonnig und überraschend mild war, schienen Henri zum ersten Mal seit Wochen wieder die Dinge des Lebens schön zu sein. Er dachte zwar auch an seine

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