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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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Henri konnte die bangen Fragen nicht beantworten.
    Dann sah er das Zeichen wieder. Einen kreisenden, aus sich heraus leuchtenden Stein im Mondlicht. Nur ganz kurz. Henri biss die letzten Fasern des Strickes durch. Er spuckte Blut und Hanffetzen. Die Knöchel schmerzten, die Haut war dort, wo die Stricke tief eingeschnitten hatten, aufgescheuert. Henri bewegte die Beine ein paar Mal, um das Blut besser zirkulieren zu lassen. Dann machte er sich zum Aufspringen bereit. Er blieb noch einen Moment sitzen, beobachtete die Schläfer und wusste, dass der Wächter, der den Lagerplatz einmal ganz umrundete, erst wieder in einiger Zeit auftauchen würde. Er erhob sich geschmeidig, blieb geduckt stehen – und rannte los.
    Als er den Fluss schon vor sich sah, hörte er hinter sich Geschrei. Sie hatten seine Flucht bemerkt.
    Henri lief um sein Leben. Hinter ihm brachen Äste und Zweige. Die Horde versuchte, ihn einzuholen. Von Uthman sah er nichts mehr. Er musste den Sprung in den reißenden Fluss einfach riskieren! Dann hatte er das Ufer erreicht, lief, solange ihn die Fluten auf den Beinen ließen, in das Wasser hinein – und wurde fortgerissen.
    Er spürte die eisige Kälte des Wassers. In den ersten Momenten wurde er hinuntergedrückt, schluckte Wasser, stieß sich an großen Steinen auf dem Grund, wurde weitergewirbelt und drehte sich dabei im Kreis. Als er wieder auftauchte, schnappte er nach Luft, völlig hilflos wirbelten ihn Strudel herum. Henri gab nicht viel für sein Überleben, aber in sich spürte er eine kurze Freude darüber aufblitzen, dass seine Verfolger ihn nun nicht mehr einholen konnten.
    Er war frei!
    Aber der Fluss Segre hielt ihn dafür umso fester in seinen eiskalten Klauen.
    Henri versuchte angestrengt, seinen Körper unter Kontrolle zu bekommen. Es gelang ihm nicht. Ein Schrei löste sich aus seiner Kehle. Es war ein Schrei der Verzweiflung, aber auch der unbändigen Kraft, zu überleben.
    Henri kämpfte gegen die stärkeren Fluten. Er stieß mit Baumstämmen zusammen, die den gleichen Weg nahmen – hinunter in die Ebene. An einem Katarakt war die Talfahrt jäh zu Ende.
    Henri wurde erst gegen einen Felsen geschleudert und verlor für Momente das ‘Bewusstsein. Dann kam ein riesiger Baumstamm auf ihn zu, dessen abgebrochene Äste sich ihm wie Spieße entgegenreckten. Der Baum verklemmte zwischen den Felsen, die schäumendes, weißes Wasser umspülte, er richtete sich auf, hielt sich in dieser Lage und beugte sich dann ächzend. Henri wurde dagegengeschleudert. Als er sich im Geäst verhakte, spürte er plötzlich etwas Scharfkantiges, das gegen seine Arme drückte. Die Kanten der abgebrochenen Äste waren spitz und hart. Henri begriff, das war seine Chance.
    Er begann rücksichtslos, die Handgelenke mit den Fesseln dagegenzureiben. Dass dabei die Haut in Fetzen ging, kümmerte ihn nicht. Er sah, wie dünne Blutfäden von seinen gemarterten Armen im weißen Wasser davonschwammen. Gleichzeitig spürte er, wie sich der Baum gefährlich zu neigen begann. Er selbst hing mit den gefesselten Händen im Geäst fest. Wenn der Baum die Felsen des Kataraktes hinunterstürzte, würde er ihn einquetschen und seine Glieder zerschmettern.
    Henri arbeitete noch schneller. Der Baum neigte sich und ächzte lauter, als bereite ihm die Gewalt des Wassers Schmerzen. Dann merkte Henri, dass er selbst es war, der Schmerzenslaute ausstieß. Die Fesseln lockerten sich nicht.
    Henri blickte einen Herzschlag lang hinüber zum Ufer und glaubte, dort Gestalten zu sehen, die herumhuschten. Wenn dies seine Gefährten waren, dann konnten sie ihm nicht helfen. Er würde vor ihren Augen in die Tiefe gerissen werden und sterben! Henri kämpfte gegen das Unheil. Er dachte: Wenn man sich wehren kann, wenn man kämpfend untergeht, dann ist man in Gottes Hand. Aber es darf nicht sein, dass ich so erbärmlich ende!
    Er spannte die Muskeln seiner kräftigen Oberarme und des Brustkorbs an. Er fühlte, noch einmal würde er diese enorme Kraftanstrengung nicht leisten können. Dann riss er mit aller Anspannung die Arme auseinander und schrie dabei so laut, als könnte sein Schrei zu einem Messer werden, das die Stricke durchschnitt.
    Und sie rissen. Henris Arme schnellten nach vorn. Er war frei.
    Henri drehte sich um, packte den Baumstamm. Er konnte nun verhindern, von den reißenden Wassern fortgerissen zu werden, hangelte an dem langen, mit scharfen Ästen gespickten Stamm entlang – und stieß sich ab. Er rutschte und fiel die glatten

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